Aktiv Bus startet Pilotprojekt gegen Fachkräftemangel

Hunderttausende Fachkräfte fehlen in Deutschland. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft konnten 2023 rund 570.000 Stellen nicht besetzt werden. In Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufen, auf dem Bau, im Handwerk und auch in der IT-Branche klemmt es personell an allen Ecken und Enden. Auch am Nahverkehr geht das Problem nicht spurlos vorbei: Bus- und Zuglinien werden ausgedünnt oder fallen ganz aus, weil Fahrer*innen und Lokführer*innen fehlen. Leidtragende sind die Fahrgäste, die Abstriche am Angebot hinnehmen müssen. Nicht zuletzt ist der Personalmangel für die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe selbst eine Belastung, denn er führt zu mehr Stress im Berufsalltag der bestehenden Belegschaft. In Schleswig-Holstein fehlen zum Beispiel rund 800 Busfahrer*innen. Keine Frage: Neue, kreative und erfolgreiche Wege der Personalgewinnung sind gefragt. Doch selbst wenn mehr Schulabgänger*innen, mehr Quereinsteiger*innen und mehr Langzeitarbeitslose ausgebildet werden – aufgrund der alternden Gesellschaft in Deutschland wird der Bedarf nicht aus der hier ansässigen Bevölkerung gedeckt werden können. Die anrollende Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge, der sogenannten Babyboomer, verschärft die Lage zusätzlich. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung im September 2024 ein Migrationsabkommen mit Kenia geschlossen, das unter anderem einen erleichterten Zugang kenianischer Fachkräfte zum deutschen Arbeitsmarkt beinhaltet.

„Bei uns wird ­niemand ins kalte ­Wasser ­geworfen, ­dafür ist die Verantwortung
in ­diesem Beruf einfach zu groß.“
Paul Hemkentokrax, Geschäftsführer Aktiv Bus

Das Flensburger Verkehrsunternehmen Aktiv Bus ist schon einen Schritt weiter in Richtung Praxis: In einem Pilotprojekt werden bereits Busfahrer*innen aus Kenia auf den Einsatz in der Fördestadt vorbereitet. Die in Kiel und Berlin ansässige Agentur Skillution, die Fachkräfte aus afrikanischen Ländern während des gesamten Rekrutierungs- und Integrationsprozesses begleitet, unterstützt das Projekt fachkundig. Die ersten fünf zukünftigen Busfahrer*innen wurden am Anfang September von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen und Flensburgs Stadtpräsidentin Susanne Schäfer-Quäck im Beisein der Botschafterin der Republik Kenia, Stella Mokaya Orina, in Flensburg willkommen geheißen. Seitdem durchlaufen sie als Angestellte der Aktiv Bus Flensburg GmbH mehrere Aus- und Fortbildungsstufen. Da die kenianischen Führerscheine in der EU nicht anerkannt werden, sind nicht nur die deutschen Fahrprüfungen zu absolvieren, sondern auch die gesetzlich vorgeschriebene, umfangreiche Grundqualifikation für Berufskraftfahrer mit Prüfung bei der IHK Flensburg abzulegen. Aktiv Bus hat zudem einen eigenen Sprachlehrer an Bord, der mit den Neuankömmlingen bereits vorhandene deutschen Sprachkenntnisse – zugeschnitten auf den individuellen Kenntnisstand – vertieft.

Die fünf neuen Beschäftigten bringen eine hohe Motivation mit, möglichst bald alle Voraussetzungen für den regulären Einsatz im Linienverkehr bei Aktiv Bus zu erfüllen. Geschäftsführer Paul Hemkentokrax stellt aber klar: „Wie bei allen Neueinstellungen legen wir Wert auf eine gründliche Einarbeitung. Bei uns wird niemand ins kalte Wasser geworfen, dafür ist die Verantwortung in diesem Beruf einfach zu groß. Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg. Aber auch allein durch den zeitlichen Aufwand der Grundqualifikation wird es sicherlich noch einige Monate bis zum Einsatz im Linienverkehr dauern – dann aber mit gut ausgebildeten Fahrerinnen und Fahrern.“ Der Hauptgrund der fünf Mitarbeitenden für den mutigen Schritt, nach Deutschland auszuwandern, waren die fehlenden beruflichen Perspektiven in ihrer Heimat. Die ersten Wochen in Flensburg beschreiben die fünf als sehr positiv. Durch die herzliche Aufnahme in der Belegschaft und die engmaschige Betreuung durch Aktiv Bus und Skillution fühlen sie sich willkommen. Und das Lernen fällt in einem solchen Umfeld auch viel leichter.

Für Aktiv Bus ist das Projekt ein weiterer Weg zur Sicherung des ÖPNV. Paul Hemkentokrax betont: „Wir nutzen alle möglichen Kanäle der Personalgewinnung. Wir setzen wie in der Vergangenheit auf die duale, dreijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Wir begrüßen Quereinsteiger mit und ohne vorhandenen Führerschein bei uns. Gemeinsam mit unserer städtischen Qualifizierungsgesellschaft bequa werden wir Projekte für Geflüchtete mit Bleibeperspektive und Langzeitarbeitslose durchführen. Mit unserem Branchenverband VDV werben wir mit der Arbeitgeberinitiative um Personal. Das alles wird nicht reichen. Daher werden wir auch in Zukunft neue Wege gehen, weil wir unsere gesellschaftliche Verantwortung im Rahmen der Daseinsvorsorge ernst nehmen.“