Susanne Matthiessen, 61 Jahre, aus Sylt

Sie ist eine erfolgreiche Journalistin und Bestsellerautorin. Und sie ist Insulanerin. Susanne Matthiessen ist ihrer Heimatinsel Sylt immer treu geblieben, auch wenn sie wegen ihres Berufs eher in Berlin anzutreffen ist. Zivilgesellschaftliches Engagement gehört an beiden Orten zu ihrem Leben. Auf Sylt als Mitgründerin von „Merret reicht’s“. Das Bündnis macht mobil für ein Inselleben mit nachhaltigem Tourismus und deutlich mehr Platz für die Sylter*innen.

Susanne Matthiessen war unter anderem Chefredakteurin beim Sender R.SH, hat in Berlin Deutschlands erstes lokales Nachrichtenradio aufgebaut und als Redaktionsleiterin für die TV-Talkshows „Sabine Christiansen“ und „Dunja Hayali“ gearbeitet. Auf eine berufliche Krise folgte 2018 der Neustart: von der Planerin und Schreiberin hinter den Kulissen auf die Lesebühne. Im Frühjahr ist ihr dritter Roman erschienen. In „Lass uns noch mal los“ erzählt die Autorin von sich und ihren Freundinnen, die in den 80er Jahren in Kreuzberg zwischen brennenden Barrikaden standen und jetzt wieder eine Revolution anzetteln – gegen den Ausverkauf des einst wilden, anarchistischen und frauebewegten Berliner Szenestadtteils.

„Ich bin in die weite Welt gegangen wie früher die Walfänger von Sylt. Und komme genau wie sie auch immer wieder zurück.“ Denn ihre Heimat ist der 61-Jährigen fest in die DNA geschrieben: „Ich bin ein Inselkind. Ich konnte mich bis heute nicht richtig von Sylt lösen.“ Susanne Matthiessen gehört zur Boomer-Generation. Ihre Eltern und die ihrer Freundinnen sind auf und mit der Insel wohlhabend geworden. Im Pelzgeschäft Matthiessen in Westerland ging die High Society ein und aus. Die Kinder waren meist auf sich gestellt, liefen aber immer auch als Visitenkarte ihrer Eltern über die Insel. Schon als Jugendliche konnte Susanne Matthiessen souverän eine Champagnerflasche öffnen.

Das Sylt ihrer Kindheit und Jugend ist der Stoff der ersten beiden Romane: Mit „Ozelot und Friesennerz“ schaffte es die Autorin 2020 auf Anhieb auf die Spiegel-Bestsellerliste, es folgte 2022 ebenso erfolgreich „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn“. Bis auf eine Familie sind alle Protagonist*innen mit Klarnamen genannt. „Kurz vor dem Erscheinungstermin saß ich auf der Insel und dachte nur: ‚Das ist jetzt mein letzter Kaffee auf Sylt. Ich kann mich hier nie wieder blicken lassen.‘“ Kann sie doch! „So viele haben sich bedankt, weil da mal ‚eine von uns‘ über die Insel schreibt.“

Zeitgleich mit ihrem ersten Buch erschien ein Leserbrief von Birte Wieda in der Sylter Rundschau. Die Inselbewohnerin forderte ein Umdenken auf Sylt. Es wurde der Startschuss für das Bündnis „Merret reicht’s“. „Das war der Zündfunke, der auf das ausgetrocknete Feld der Unzufriedenheit fiel. Und dann stand alles in Flammen“, erzählt Susanne Matthiessen. Das Bündnis sorgte unter anderem dafür, dass der „Alte Gasthof“ in List auf Sylt nicht sang- und klanglos verschwand – sondern mit einem Paukenschlag: Die Frauen schalteten eine Traueranzeige für das historische Gebäude und luden zur „Trauerfeier“ am Bauzaun ein. Es wurde die größte Demo auf Sylt seit über 30 Jahren. Nicht alle waren begeistert. „Für sowas brauchst du schon Eier. Wir kennen uns hier ja alle.“ Aber „Merret reicht’s“ wehrt sich weiter dagegen, dass die Insel verhökert wird, ohne etwas zurückzubekommen. „Sylt lebt vom Tourismus, das soll sich nicht ändern, aber wir wollen hier kein Disney-Land mit Einwohnern als reinen Statisten.“

Der Protest wurde gehört, auch von der Politik. Susanne Matthiessen organisierte eine Podiumsdiskussion mit Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen. Der Friesensaal in Keitum war voll, der Ruf nach einem Beherbergungskonzept laut. Im März 2023 hat die Gemeinde Sylt einstimmig beschlossen, keine neuen Ferienwohnungen mehr zuzulassen. Die ersten illegalen Unterkünfte wurden bereits stillgelegt. Ein Anfang ist gemacht. Susanne Matthiessen und ihre Mitstreiterinnen kämpfen weiter gegen den Ausverkauf.