Hier kriege ich den Kopf frei, kann einmal „den Speicher leeren“, auf das Wasser schauen und der Natur zuhören.
Wie einer meiner Lieblingsorte im „echten Norden“ aussieht? Stellen Sie sich das berühmte Gemälde „Kreidefelsen auf Rügen“ von Kaspar David Friedrich vor. An diese Szenerie erinnert die Landschaft westlich von Glücksburg an der Flensburger Förde. So eine Mischung aus steil abfallender Küste, Meer und Wald gibt es gar nicht so oft in Schleswig-Holstein. Wenn ich auf meiner Hausstrecke von Bockholmwik nach Langballigau spaziere, finde ich einen für mich einzigartigen Ort der Stille. Er liegt an einer Bank am Waldesrand, vor mir die Ostseeküste, um mich herum ein märchenhafter Wald, hinter mir rascheln sanft die Blätter im Wind. Hier kriege ich den Kopf frei, kann einmal „den Speicher leeren“, auf das Wasser schauen und der Natur zuhören. In meinem Job sind alle Sinnesreize intensiv gefordert. Um immer wieder aufs Neue kreativ sein zu können, brauche ich diese Regeneration.
Wichtig ist aber auch der Weg dorthin: Er führt immer durch den Wald und liegt dennoch am Wasser. So oft wie möglich laufe ich ihn entlang. Ich mag die innere Dynamik des Weges und ich nutze sie, um Inspiration für meine Choreografien zu finden. Hier bin ich auch motorisch aktiv und probiere schon mal eine bestimmte Bewegung aus. Es kann also durchaus vorkommen, dass ich wie der Glöckner von Notre Dame durch den Wald humpele – zum Glück sieht mir niemand dabei zu. Wenn ich dann aber an meiner Lieblingsbank angekommen bin, nehme ich nur noch die Atmosphäre auf und versuche, gar nichts mehr zu denken. Ich sitze einfach still da und beobachte die Vögel und Bäume. Das ist meine ganz persönliche „Ruhetankstelle“.
Katharina Torwesten aus Bockholmwik, 49, ist seit 2010 Ballettdirektorin des Landestheaters Schleswig-Holstein. Die gebürtige Münsteranerin ist im ländlichen Westfalen aufgewachsen und liebte schon als Kind die Natur.