Die HOCHBAHN, genauer gesagt die Hamburger Hochbahn AG, ist das größte Verkehrsunternehmen in Hamburg. Sie betreibt die U-Bahn-Linien U1 bis U4 sowie mehr als 100 Buslinien. Die meisten der etwa 4.500 Mitarbeiter sind auf Schienen, Straßen und an Haltestationen im Einsatz. Sie befördern und betreuen etwa 1,2 Millionen Passagiere täglich. Ein immenses Fahrgastaufkommen – da braucht es einen kühlen Kopf, der den gesamten Ablauf stets überblickt. Das ist die Betriebszentrale, unterteilt in die „Leitstelle U-Bahn“ und die „Leitstelle Bus“. Hier werden plötzlich auftretende Probleme im laufenden Verkehrsbetrieb gelöst. Informations- und Liniendisponent Norman Langhof gewährt uns einen Blick ins Innenleben der U-Bahn-Leitstelle.
Als wir die U-Bahn-Leitstelle von U1 bis U4 im sechsten Stock des HOCHBAHN-Gebäudes in der Hamburger Steinstraße betreten, lassen wir uns zunächst von den vielen Monitorwänden beeindrucken, die uns umgeben. Wir sehen darauf unter anderem das wuselige Treiben an zahlreichen U-Bahnsteigen im Livebild. Schematische Darstellungen informieren über die derzeit verkehrenden U-Bahnen und ihre Zeiten. Norman Langhof deutet auf einen rot aufleuchtenden Punkt: „Eine U2 mit leichter Verspätung. Unter fünf Minuten!“ Er blickt zufrieden auf diesen einzig farbigen Punkt inmitten der abstrahierten Abbildung der 92 Haltestellen und der 106 Kilometer Streckennetz der HOCHBAHN. Ab einer Verspätung von zehn Minuten leuchtet der Punkt in Magenta, dann wird der Zug genauer unter die Lupe genommen. Die Monitorwände umkreisen drei wellenartig angeordnete Sitzreihen. In der ersten Reihe, im Zentrum des Raums, sitzt der Informationsdisponent mit seinen Informationsassistenten. Sie nehmen alle Anrufe über Telefon und die Haltestellen-Rufsäulen entgegen, zudem führen sie Durchsagen in den Zügen und an den Haltestellen durch. Einige Fragen der Anrufer beantworten sie selbst, zum Beispiel zu Tarifen. Viele vermitteln sie weiter, darunter Meldungen über die Notrufzentrale oder auch Informationen von Polizei oder Feuerwehr zur Lage an Einsatzorten, die den U-Bahn-Verkehr betreffen.
„Wir Disponenten sind
Entscheidungsträger.“
Falls die Öffentlichkeit informiert werden muss, gehen die Informationen an die Pressestelle. Vor allem aber werden sie in die zweite Reihe weitergeleitet, an die sogenannten Liniendisponenten, die auch Meldungen der U-Bahn-Fahrer zu technischen Störungen entgegennehmen. „Wir Disponenten sind Entscheidungsträger in erster Instanz und lösen die meisten Probleme sofort“, erklärt Norman Langhof. „Wenn beispielsweise der Überwachungsmonitor eines U-Bahn-Fahrers für den Bahnsteig ausfällt, gibt es Sofortmaßnahmen, die per Telefon angesagt werden können. Bei größeren technischen Problemen werden die Stellwerke informiert.“ Die dafür zuständigen Linienstellwerker sitzen in der dritten Reihe. Sie organisieren die nötig gewordenen Anpassungen beim Einsatz der Züge auf den verschiedenen Linienabschnitten und kümmern sich in einem der sieben Stellwerke (Barmbek, Hagenbeck, Schlump, Ochsenzoll, Farmsen, Berliner Tor und Billstedt) um die Fahrstraßensicherung. Das heißt, sie prüfen von der Leitstelle aus, ob angesteuerte Streckenabschnitte nicht bereits anderweitig durch Fahrzeuge belegt sind. Jeder Linie sind zwei Linienstellwerker, ein Informationsassistent und ein Liniendisponent zugeteilt, der diensthabende Informationsdisponent ist für alle Linien zuständig. So sind 17 Personen und Teamleiter Markus Broszinski zeitgleich im Einsatz – zuzüglich der Mitarbeiter der Hochbahn-Wache, die ebenfalls in der Leitstelle ansässig ist.
„An einem Fleck vereint, sparen wir
uns die lange Leitung übers Telefon.“
Während wir beobachten, wie die Informationen über die Reihen hinweg weitergereicht werden, gesellt sich Teamleiter Markus Broszinski zu uns: „In der alten Betriebszentrale in der dritten Etage waren wir hier nur zu dritt, da lief das alles noch dezentral. 2007 sind wir in die sechste Etage gezogen, die eigens dafür auf das Gebäude aufgesetzt worden war. Seitdem sitzen wir buchstäblich alle unter einem Dach. So sparen wir uns heute die lange Leitung übers Telefon.“ Seit 1985 ist er bei der HOCHBAHN, 1994 begann er in der Betriebszentrale. Er trifft Entscheidungen, die über das übliche Tagesgeschäft hinausgehen. Die Verantwortung als oberste Sicherheitsebene hingegen trägt der „Bereichsleiter U-Bahn Betrieb“, Sven Möller. Er ist Entscheidungsträger in letzter Instanz und der technischen Aufsichtsbehörde gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Sicherheit hat fraglos oberste Priorität in der Betriebszentrale. Direkt darauf folgt der Anspruch, dass Fahrgäste Einschränkungen im Verkehr möglichst wenig spüren sollten.
Norman Langhof, früher selbst als Zugfahrer auf Hamburgs U-Bahn-Gleisen unterwegs, ergänzt: „Alle, die hier arbeiten, bringen eine Menge Erfahrung mit. Die ist nötig, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Brände entlang der Gleise, spielende Kinder auf der Strecke, flüchtige Straftäter et cetera: Jeder Tag hält seine eigenen Problemstellungen bereit.“ Die Gesamtheit der Meldungen und die ergriffenen Maßnahmen werden für ihn und seine Mitarbeiter im Betriebstagebuch erfasst und bewertet, die wichtigen Erfahrungswerte bleiben damit für alle zugänglich. Für den Vortag wurden etwa 100 Ereignisse verzeichnet. Ein gewöhnlicher Tag. „Durch unser Betriebstagebuch sind wir bei ähnlichen Vorkommnissen gut gewappnet. Neuland bleiben lediglich Extremsituationen wie der G20-Gipfel, bei dem die Polizei ganze Stadtbezirke sperrte, die deshalb nicht mehr von uns angefahren werden konnten.“
„Jeder Tag hält seine
eigenen Problemstellungen bereit.“
Jana Greper, die als Einsatzleiterin für die Hochbahn-Wache im Dienst ist, schaut zu uns hinüber und nickt wissend, bevor sie ihren Fokus wieder auf die Monitoranzeige richtet.
„Ich habe gerade sieben Teams à zwei Personen draußen, wie üblich“, sagt sie beiläufig. An Tagen wie heute ist Frau Greper beinahe unterfordert. Bei Hamburger Großereignissen an Wochenenden sind deutlich mehr Teams unterwegs, bis zu 30 sind es da. Hauptsächlich sind sie für Fahrkartenkontrollen und die Sicherheit an und in den Zügen sowie
Bussen zuständig. Sie schlichten Streitereien und informieren bei Bedarf die Polizei, beispielsweise wenn sich Schwarzfahrer weigern, Personalangaben zu machen. Auch eine zivile Einsatzgruppe gibt es. Ihre Aufgabe besteht darin, Vandalismus und Graffiti aufzudecken. Über die Kameras sieht Jana Greper jedoch oft zuerst, wo etwas geschieht, und schickt ihre Kollegen schnellstmöglich dorthin.
Die Betriebszentrale ist hochmodern. Das Zugfunksystem läuft digital, die Stellwerke funktionieren elektronisch und die Betriebssoftware ist exakt auf die Bedürfnisse der vier Linien der Hamburger Hochbahn AG zugeschnitten. Eine futuristische Innenarchitektur unterstreicht das Hightech-Ambiente. Die großen Fenster hingegen erinnern an den Ausblick während der Bahnfahrt im überirdischen Stadtverkehr. Weitere Elemente des Büros zitieren historische Designelemente der Untergrundbahn, die seit 1912 Menschen in Hamburg befördert – wie etwa die runden Deckenbeleuchtungen, so wie sie früher im Inneren der Wagen üblich waren.
„Für die absolute Sicherheit
kriegt der Gürtel
noch einen Hosenträger!“
Markus Broszinski öffnet eine Schranktür und holt einen Signalstab hervor. „Wir sind zwar auf dem neuesten Stand der Technik, Bewährtes aber bleibt! Bei eingleisigem Betrieb wie bei Pendelzugfahrten darf natürlich immer nur ein Fahrzeugführer unterwegs sein, um Zusammenstöße zu vermeiden. Dieser bekommt für seinen Bereich zu Schichtbeginn so einen Signalstab ausgehändigt“, sagt er und drückt uns den Stab zur Begutachtung in die Hand. Beim Ausfall einer Bahn wird der Stab per Boten zu der vorgesehenen Ersatzbahn gebracht. „Den kann man weder kopieren noch fälschlicherweise doppelt verschicken. Zusätzlich zu allen Sicherheitsvorkehrungen braucht man ihn, um losfahren zu dürfen – im übertragenen Sinne bekommt der Gürtel noch einen Hosenträger verpasst!“
Die aktuell entspannte Betriebssituation vermittelt nicht den Eindruck, als müsse in Kürze ein Bote mit Signalstab losgeschickt werden. „Heute merkt man deutlich, dass Ferien sind“, sagt Norman Langhof, „was aber nicht bedeutet, die Füße hochlegen zu können. Ein Zugfunkgespräch oder ein Anruf kann das ganz schnell ändern.“ So wie zwei Tage zuvor: Da ging die Polizeimeldung ein, ein Lkw habe eine Brücke in Eppendorf mit seinem festinstallierten Kranaufbau beschädigt. Der Linienverkehr der U3 zwischen den Stationen Schlump und Kellinghusenstraße musste sofort eingestellt werden. Feuerwehr und Polizei sicherten das Areal, Statiker prüften die Brücke. Erst nach einer zweitägigen Reparaturphase konnte sie wieder freigegeben werden. Während der Zwangspause verkehrte ein Pendelzug – natürlich mit Signalstab – und ein Ersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet.
„Dies ist kein Ort, um die
Füße hochzulegen.“
Doch auch wenn keine Herausforderung der anderen gleicht, eines haben alle Situationen gemeinsam, weiß Herr Langhof: „Man muss stets kühlen Kopf bewahren!“ Am Ende unseres aufschlussreichen Besuches haben wir den Eindruck: Dafür herrschen in der Betriebszentrale der Hamburger Hochbahn AG optimale Bedingungen.