Walter Joshua Pannbacker, 54 Jahre, aus Kiel
Unter den vielen schönen Orten, an denen man sich in und um Kiel erholen und wohlfühlen kann, ist unsere neue Synagoge ein ganz besonderer. So lange haben wir als Gemeinde und auch privat als Familie darum gerungen, einen festen Ort für das moderne, progressive jüdische Leben zu haben. Wir haben zwar auch unsere provisorische Synagoge immer schon das jüdische Zuhause in Kiel genannt, aber jetzt ist es auch endlich eines, in dem wir angekommen sind. Und eines, das sich nicht verschämt in irgendeinem Hinterhof versteckt, sondern das ganz normal und als Synagoge klar erkennbar in der Häuserzeile steht. Ein Zuhause, das sagt: Wir sind da und wir sind alle herzlich willkommen. Auch wenn uns der 7. Oktober wieder schmerzlich vor Augen geführt hat, dass jüdische Existenz immer auch Existenz auf Widerruf ist. Dieser Ort ist ein physischer und geistiger Schutzraum, aber vor negativer Gesinnung schützt er nicht.
Für mich ganz persönlich gehören die stillen Momente hier zu den schönsten. Momente, in denen ich ganz für mich allein bin: am frühen Morgen oder abends. Wenn ich dann in diesem speziell dafür eingerichteten Gebetsraum stehe und nicht mal laut, sondern ganz leise vor mich hin bete, dann kann so ein Gefühl von Geborgenheit entstehen. Nach den vielen Schwierigkeiten, die es gab und die wir auch im Alltag als Juden haben, ist das ein besonderes Gefühl der Gottesnähe. Bis zur letzten Sekunde wurde am Gebetsraum gearbeitet und erst am Abend vor der offiziellen Einweihung wurden die goldenen hebräischen Inschriften angebracht. Die ganze Nacht habe ich schlecht geschlafen. Sobald ich einschlief, träumte ich, dass die Schrift verschwunden ist. Also bin ich ganz frühmorgens in die Synagoge gegangen und als ich den Gebetsraum betrat, hingen die Buchstaben tatsächlich alle herunter, weil sie nicht richtig klebten. Da bin ich im hochoffiziellen Anzug mit silberner Weste und silberner Krawatte auf die Leiter geklettert und habe diese Goldbuchstaben allesamt mit einem Prittstift wieder angeklebt.
Nicht ohne Witz ist übrigens auch die Tatsache, dass dieses einst von der Burschenschaft Teutonia gebaute Haus im 19. Jahrhundert in Kieler Studentenkreisen bekannt war als die „Sauf-Synagoge“. Von außen sah das Verbindungshaus schon immer wie eine Synagoge aus und hier war immer ein Fass am Hahn. Und wir haben auch einen ganz schönen Weinkeller …
Der Vorbeter und Religionslehrer Walter Joshua Pannbacker ist Mitbegründer und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kiel, die seit Mai 2024 mit der Synagoge „Mishkan Shalom“ in der Waitzstraße 43 ein neues Zuhause gefunden hat – 86 Jahre nach der Zerstörung des alten Gotteshauses durch die Nationalsozialisten.