Heimat, Herzöge, Herbstlaub

Am südlichsten Zipfel des Kreises Stormarn wartet ein Kleinstadtjuwel auf uns, das stilsicher am Hamburger Speckgürtel funkelt: Reinbek vereint Natur und Kultur, Geschichte und Architektur auf so geschickte Art und Weise, dass selbst der Stadtteilname „Büchsenschinken“ in unseren Ohren nach „Champs-Élysées“ klingt und der norddeutsche Eintopf „Schnüsch“ wie Sterneküche auf der Zunge zergeht. Dass es sich hier gut leben lässt, wussten schon unsere Vorfahren. 47 vorgeschichtliche Hügelgräber sowie Funde von Gebrauchsgegenständen aus der Stein-, Bronze- und Eisenzeit belegen, dass Menschen über die Jahrtausende hinweg ununterbrochen auf dem Gebiet siedelten, das wir heute als Reinbek kennen. Aus frühen Streusiedlungen entwickelten sich zunächst kleine Dörfer, bis 1238 erstmals Reinbek als Stadt urkundlich erwähnt wird. Einen ersten Wachstumsschub erlebt das Städtchen im ausgehenden 18. Jahrhundert, als sich Handwerker dort niederlassen, einen zweiten in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Bau der Eisenbahnstrecke, die Hamburg und Berlin miteinander verbindet. Bald schon sollten Sonderzüge scharenweise Tagesgäste und Urlauber*innen hierherführen. Manche fanden Gefallen am Wohnen im Grünen – und blieben. Anders als Ballungszentren wie Kiel und Hamburg entkam Reinbek der Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges. So bietet die Architektur heute einen harmonischen Querschnitt durch alle Phasen hiesiger Baugeschichte. Und tatsächlich wird unser Ausflug von zweierlei Wanderlust geprägt sein: durch Reinbeks „Villenwald“ und durch den angrenzenden Sachsenwald.

Anfahrt mit NAH.SH:
Im Schienenverkehr ist Reinbek vor allem über den Knotenpunkt Hamburg und von dort mit der S-Bahn gut angebunden. Die S 21 fährt weiter nach Aumühle. Mehrere Buslinien fahren ebenfalls Reinbek an.

9.09 Uhr

Royaler Auftakt

Unsere Ankunft am S-Bahnhof Reinbek beginnt gleich mit einer Überraschung. Dass das Schloss nicht weit entfernt ist, hatten uns Stadtkarte und Internet schon verraten. Dass wir aber buchstäblich an dessen Auffahrt aussteigen, verblüfft uns schon ein wenig.

Bahnhof Reinbek

Sophienstraße 11
21465 Reinbek

10.05 Uhr

Wildromantische Lebensader

Reinbek schmiegt sich nach Osten hin an den Fluss Bille, der bei Hahnheide entspringt und bei Hamburg in die Elbe mündet. Unmittelbar angrenzend an das unter Naturschutz gestellte Billetal staut sich die Bille zum Mühlenteich auf, der zum Spazierengehen, Radwandern und Kanufahren einlädt. Von einer Parkbank an seinem Ufer aus beobachten wir Entenfamilien, die ebenso wenig in Eile sind wie wir heute, und genießen von hier aus noch einmal das Schlosspanorama, bevor wir uns nun ins Stadtinnere aufmachen.

Mühlenteich

direkt am Schlosspark in Reinbek

10.31 Uhr

Bewegendes Schicksal

Sieben Stolpersteine erinnern in Reinbek an Opfer des Nationalsozialismus. Zwei sind Dr. Arthur Goldschmidt und seiner Frau Katharina gewidmet. Wir entdecken die Messingtäfelchen im Gehweg vor der Landhausvilla, in der die Familie des damaligen Amtsrichters, Reinbeker Gemeinderats, KZ-Überlebenden, späteren Bürgermeisters und Mitbegründers der Volkshochschule lebte. Eine Gedenktafel fasst die bewegende Geschichte zusammen.

Arthur Goldschmidt Haus

Kückallee 43, 21465 Reinbek
www.kultur-stormarn.de

11.14 Uhr

Himmlisches Kulturdenkmal

Erst 1901 öffnete Reinbeks erste eigene Kirche ihre Tore für die wenige Jahre zuvor gegründete evangelische Gemeinde. Offenbar hatten die Reinbeker*innen diesen Moment kaum abwarten können, nahm die Bauzeit um die Jahrhundertwende herum doch nicht einmal 15 Monate in Anspruch. Seither ragt die neugotische Turmspitze der Maria-Magdalenen-Kirche aus allen Richtungen gut sichtbar in den Himmel.

Maria-Magdalenen-Kirche

Kirchenallee 1, 21465 Reinbek
www.reinbek-mitte.de

11.55 Uhr

Aus Omas Kochbuch

Alles, was im „Heimathäppchen“ auf den Tisch kommt, stammt aus Norddeutschland, vom selbst gebackenen Brot über Labskaus bis zum traditionellen „Schnüsch“, einem Eintopf aus in Milch gekochtem Gemüse aus dem heimischen Garten. Wir allerdings entscheiden uns für die Spezialität des Hauses: Brizza – norddeutsche Pizza aus Brezelteig, gefüllt mit Schmand, Putenbrust und Zwiebeln. Lecker!

Heimathäppchen

Hamburger Straße 26, 21465 Reinbek

Öffnungszeiten:
Mo. bis Fr. 11–19 Uhr
www.gasthaus-heimathaeppchen.de

13.55 Uhr

Weißer Riese

Zwar bietet sich Reinbek als Ausgangspunkt für eine Wanderung durch den Sachsenwald an, wir wollen es heute aber andersherum versuchen und nehmen kurzerhand die S-Bahn ins benachbarte Aumühle. Der Abstecher zum Bismarckturm hat sich gelohnt. Das imposante Bauwerk reckt sich in strahlendem Weiß in die Höhe. Denkmal für den Reichskanzler Otto von Bismarck, Wasser- und Aussichtsturm, Museum, Lagerraum für Südfrüchte – das denkmalgeschützte Gebäude erfüllte viele Zwecke. Heute bietet es der Gemeindebücherei und dem ehrenamtlich betreuten Gemeindearchiv ein Zuhause.

Bismarckturm

Birkenstraße 7, 21521 Aumühle
Besichtigung nach Absprache:
T. 04104.2263
www.bismarcktuerme.net

14.35 Uhr

Berauschender Sachsenwald

Das Reinbeker Schloss hat uns wieder, genauer gesagt sein Südwestflügel. Hier befindet sich das „Bringezu’s Restaurant“ mit schönen Plätzen in Gewölbe, Galerie oder im separaten Turmzimmer sowie im Sommer auf der Terrasse mit Blick auf Schlossgarten und Mühlenteich. Passend zur Herbstsaison lassen wir uns mit Spezialitäten von der Wild-Karte und frisch zubereiteten Pilzen verwöhnen. Dass die Tage jetzt wieder kürzer werden, stört uns in dieser gemütlichen Atmosphäre nicht im Geringsten. Bei einem Glas Rotwein und Kerzenschein schauen wir zu, wie sich der Abend über Reinbek legt. Wir sind müde und glücklich – und zur Bahn sind es zum Glück ja nur ein paar Schritte.

Sachsenwald

Von Aumühle bis zum
Schloss Reinbek
www.sachsenwald.de

17.15 Uhr

Herzoglich schlemmen

An der Badestelle am Naturcampingplatz Wrohe ist heute wenig los. Im dicht mit Schilf bewachsenen Uferbereich streiten sich unsicht-, aber hörbar zwei Enten, bis eine entnervt auffliegt. Etwas Wind streicht über die Bäume und kräuselt das Wasser und wir merken, dass sich seit unserem Aufbruch heute Morgen Entspannung eingestellt hat. Der Alltag ist weit weg. Farben, Licht und Luft genießen – mehr ist heute nicht zu tun.

Bringezu’s Restaurant

Restaurant im Schloss Reinbek
Öffnungszeiten:
Do. bis So. 12–21 Uhr
www.bringezu-schloss.de

TIPPS:

Interaktive Karte von Reinbek:
www.reinbek.infi nitymap.de

Wissenswertes und Anekdoten finden sich auch hier:
www.reinbeker-geschichten.de

www.museumsverein-reinbek.de