Frühling an der Förde

Je weiter man in Deutschland nach Süden kommt, desto schmaler wird wahrscheinlich das Wissen über Flensburg. Aber zwei Schlagworte dürfte jeder parat haben. Erstens: nördlichste Stadt Deutschlands (stimmt aber gar nicht, denn das ist Glücksburg!). Zweitens: „Verkehrssünderkartei“ im Kraftfahrt-Bundesamt. Diese Verkürzung ist natürlich haarsträubend ungerecht, denn Flensburg mit seinen 90.000 Einwohnern ist viel mehr: ein kulturelles Zentrum des Nordens, Tor nach Dänemark, Universitätsstadt, internationale Handballadresse, Segelstadt und historisches Handelszentrum. Von Weltkriegszerstörungen weitgehend verschont, bietet Flensburg eine Menge an Baudenkmälern und die Hanglage an West- und Ostufer des Hafens sorgt für wunderschöne Ausblicke.

10:00 Uhr

Tausend tolle Kannen

Mit dem Bus fahren wir vom Bahnhof Richtung Ostufer. Unser Ziel: das Marien-Café, wo unzählige Kaffeekannen von der Decke hängen. Zwei Ohrensessel verströmen Gemütlichkeit. Und sie sind frei! Glück gehabt, denn ohne Reservierung kann es hier eng werden. Statt für eine der prächtigen Frühstücksplatten, die schon optisch wie eine Geschmacksexplosion wirken, entscheiden wir uns für Torte. Über 15 Sorten zieren die Theke, von Erdbeer-Waldmeister über Trümmertorte bis Baiser-Stachelbeere. Die Stärkung fällt also üppig aus, aber wir haben ja auch einiges vor.

Marien-Café
Ballastbrücke 22
Täglich 8.00–18.00 Uhr

11:00 Uhr

Futuristischer Wasserspender

Wir müssen uns ein wenig durchfragen, bevor uns ein kurzer Fußmarsch am Lautrupsbach entlang und eine Treppe hinauf zum Wasserturm Mürwik führt. Die Aussichtsplattform ist nur von Mai bis September geöffnet, aber schon der Anblick des Gebäudes von außen entschädigt dafür, dass wir an diesem Vorfrühlingstag nicht über die Förde blicken können. Der Turm sieht mit seinem grünen konkaven Sockel und den weißen Rippen ein wenig wie ein gerade gelandetes UFO oder wie eine Wasserfontäne aus.

Wasserturm Mürwik
Am Volkspark

Aussichtsplattform geöffnet:
3. Mai–30. September

Mi–So: 11.00–13.00 Uhr,
15.00–18.00 Uhr

11:45 Uhr

Spitze, der Hafen!

Unser Weg führt uns nun wieder hinunter zum Wasser. Auf dem Weg auf die westliche Seite erreichen wir die Hafenspitze. Von hier schaut man auf den sich öffnenden Hafen, auf die Anstiege auf beiden Seiten der Förde. Wer ein wenig flanieren oder sich auf eine Bank setzen und mit Wasserblick sinnieren möchte, findet hier eine herrliche Kulisse.

Am Kanalschuppen 1

12:15 Uhr

Eine Werft als lebendiges Museum

Ein paar hundert Meter nördlich kommen wir zur Museumswerft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das traditionelle Bootsbauerhandwerk lebendig zu halten. Wir lernen von einem Bootsbauer, wie die Reepschläger die gedrehten Seile mit einem geteerten Faden umwickeln. Und wie mit einem Kalfateisen das Dichtmaterial in die Schiffsfugen getrieben wird. Am Schluss bestaunen wir noch einen wertvollen Schiffshobel, mit dem man gebogene Flächen bearbeiten kann. Diese Eindrücke verdauen wir anschließend an Bens Fischhütte um die Ecke, wo wir uns ein Brötchen mit Stremellachs schmecken lassen.

Museumswerft
Schiffbrücke 43–45Mo–Fr: 8.00–17.00 Uhr
Sa–So: 10.00–17.00 Uhr

13:15 Uhr

Abenteuerliche Experimente

Ein Highlight bei jedem Flensburg-­Besuch ist die Phänomenta. Die naturwissenschaftliche Ausstellung lockt mit Experimenten zum Mitmachen. Warum rotiert Wasser auf unterschiedlichen Erdhälften in unterschiedliche Richtungen? Physiker sagen: Klar, wegen der Corioliskraft. Aber was das genau bedeutet und wie es aussieht, das lässt sich hier ganz handfest ausprobieren. Oder man kann am eigenen Leib erfahren, welche Kräfte auf einen Astronauten wirken. Ein verblüffendes Erlebnis reiht sich an das nächste, immer anschaulich und nachvollziehbar.

Phänomenta e. V.
Norderstraße 157–163, Nordertor
Sa–So: 10.00–17.00 Uhr
Oktober–Mai:
Di–Fr 8.00–17.00 Uhr
Juni–September:
Mo–Fr: 8.00–17.00 Uhr

14:30 Uhr

Höfische Kultur

Auf der Norderstraße geht es jetzt wieder nach Süden. Bei der Hausnummer 86 biegen wir links in einen Toreingang. Hier liegt der Alte Kaufmannshof. Der Innenhof war typisch für das von Handel geprägte Flensburg. Zur Wasserseite hin lagen die Wohn- und Kontorräume, entlang des Hofes reihten sich dann Räume zur Lagerung oder Verarbeitung von Waren. Teile dieser Höfe stammen noch aus dem 16. Jahrhundert, die Hochzeit war jedoch das 18. Jahrhundert, als die sogenannten Querspeicher dazukamen.

Alter Kaufmannshof
Norderstraße 86

15:00 Uhr

Shoppen zwischen den Kirchen

Es ist kaum möglich, in der Flensburger Innenstadt nicht auf ein historisch bedeutsames Gebäude zu schauen. Eines der wichtigsten ist die Marienkirche. Der über 700 Jahre alte Bau machte 1967 Schlagzeilen. Drei Pastoren wollten einen steinernen Soldaten, der an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnern sollte, aus der Kirche entfernen. Sie sahen darin eine unangemessene Heldenverehrung. Der „Flensburger Denkmalstreit“ spaltete die Öffentlichkeit bundesweit, sogar Bundesjustizminister Gustav Heinemann schaltete sich ein. Aber wir lassen jetzt die Geschichte hinter uns und begeben uns auf einen ausgedehnten Bummel über die 800 Meter lange Fußgängerzone Große Straße und Holm, die sich mit zahllosen Geschäften bis zur Nikolaikirche erstreckt.

Fußgängerzone Innenstadt
Große Straße und Holm

16:45 Uhr

Zerbrechliche Handwerkskunst

In der Roten Straße wimmelt es nur so von historischen Kaufmannshöfen, die heute großartige Geschäfte mit traditionellem Handwerk beherbergen. Wir stoppen an der winzigen Glasbläserei, wo uns Dieter Schneider seine Kunst demons­triert. Die Flamme rauscht fast bis zum Schaufenster, während er ein Glasrohr zum Schmelzen bringt, aus dem er filigrane Objekte fertigt. Seit 40 Jahren verkauft er seine Waren von Flensburg aus in die ganze Welt. Über seine Arbeit und ihren Standort sagt er: „Ich hab im Lebenslotto einen Sechser gezogen.“

Glasgravur & Glasbläserei
Rote Straße 22
Mo–Fr: 9.30–12.30 Uhr und
14.30–18.00 Uhr
Sa: 9.30–13.00 Uhr

17:30 Uhr

Rumprobieren

Kann man die Rum-Stadt Flensburg besuchen, ohne sich dem traditionsreichen Getränk zu widmen? Das Wein- und Rumhaus Braasch verkauft nicht nur edlen selbstdestillierten Rum, es hat im hinteren Teil des Hofes auch ein kleines Rum-Museum eingerichtet. Hier erfährt man, wie es der Rum aus der Karibik an die Förde geschafft hat, eine Geschichte, die nicht nur mit Genuss, sondern auch – das wird nicht verschwiegen – viel mit Kolonialismus und Sklaverei zu tun hat.

Braasch Rum Manufaktur Museum
Rote Straße 26–28
Mo–Fr: 10.00–18.30 Uhr
Sa: 10.00–16.00 Uhr

18:30 Uhr

Fisch muss schwimmen

Beim Probeschluck in der Rum-Handlung lassen wir uns ein Lokal empfehlen, um unseren Tag an der Förde zu beschließen. Vielleicht liegt es an der Liebe zum feinen alkoholischen Getränk, jedenfalls werden wir mit Nachdruck zu Hansens Brauerei geschickt. Das Bier sei köstlich und man sitze in uriger Atmosphäre neben den großen Gärbehältern. Wir folgen dem Rat und sitzen etwas später in der gut gefüllten Gaststube. Das Bier schmeckt tatsächlich hervorragend, dazu passt ein Fischteller mit Räucherlachs, Matjes und Brathering. Tja, und da wir wissen, dass Fisch schwimmen muss, gönnen wir uns ein zweites Bier, bevor wir uns auf den Weg zum Bahnhof machen.

Hansens Brauerei
Schiffbrücke 16
Mo–Do: 11.30–0.30 Uhr
Fr–Sa: 11.30–1.00 Uhr
So: 11.30–0.00 Uhr

Anfahrt mit der NAH.SH

Die Regionalbahn RB 7 verkehrt stündlich zwischen Hamburg und Flensburg und hat an viele weitere Bahnlinien Anschluss. Von Kiel aus fährt die RB-Linie 72. Die Westküste ist über Husum und Jübek sowie über Heide und Neumünster an die Nord-Süd-Strecke angebunden. Wer von Lübeck aus kommt, steigt in Kiel oder Hamburg um oder fährt über Bad Oldesloe und Neumünster. Aus dem Nordwesten, zum Beispiel aus Niebüll, empfiehlt sich die Anreise per Bus.

Nach Flensburg fahren auch Schnellbusse von Niebüll, Husum und Kappeln.