Auf Frühschicht mit einem Triebfahrzeugführer in spe

Der Himmel ist klar, die Luft ist kühl so kurz nach 4 Uhr an diesem dunklen Frühjahrsmorgen. Wir stehen an einem der Abstellgleise, wo die Regionalzüge in Sichtweite des Kieler Hauptbahnhofs die Nacht über ruhen. Bernd Graupe, 52 Jahre, Triebfahrzeugführer in Ausbildung bei der nordbahn, zückt seine Taschenlampe und beleuchtet die Flanke des Zuges mit der Baureihen- und Seriennummer 648/454. „Los geht’s!“, nickt er seinem Ausbilder Malte Jansky zu, steckt einen Schlüssel in das Schloss seitlich der Führerkabine und dreht ihn um. Der Innenraum erstrahlt. 648/454 fährt hoch wie ein PC. Bernd inspiziert den Zug währenddessen außen auf sichtbare Schäden sowie frische Graffitis. Sein Fazit: „Alles bestens, steigen wir ein!“

Zunächst eine Runde durch den Innenraum: Nothammer vollzählig? Feuerlöscher an Ort und Stelle? Notbremshebel verplombt? Alles ist so, wie es sein muss. Im Übergabebuch sind keinerlei Störungen von der letzten Crew notiert, aufgetankt ist auch. Also ab in den Führerstand. Löst die Bremsanlage aus, wie sie soll? Check! Das Kontrollsystem ist aktiviert, das ständig prüft, ob Bernd bei vollem Bewusstsein ist? Daumen hoch! Dann greift er zum Hörer. „Moin, Bernd hier. Für die 11802 einmal die 10 bitte.“ Was wie eine Essensbestellung klingt, ist die Bitte an den Fahrdienstleiter um das Okay für die Einfahrt seiner Zugnummer in den Kieler Hauptbahnhof von unserem Standort auf Gleis 10 aus. Nachdem der vorige Zug nach Husum rausgefahren ist, kommt die Freigabe. Bernd wirft den Dieselmotor an, es vibriert kurz unter den Füßen, wir fahren ein. „Schwere Maschinen waren schon immer meine Leidenschaft. Früher war ich Nutzfahrzeugtechnikermeister, mein Element war der Lkw, mein liebstes Arbeitsgerät der Schwerlastkran.“ Viel mehr verbindet seinen alten Beruf mit dem neuen jedoch nicht. „Das Einzige, worauf ich wehmütig zurückblicke, sind die Kollegen, die ich zurückgelassen habe. Die haben geklatscht, als ich meine berufliche Entscheidung im alten Betrieb verkündete. Nicht weil ich endlich ging“, lacht er, „sondern weil die schon wussten, dass das hier genau das Richtige für mich ist. Der alte Job brachte viel Stress mit sich. Das wollte ich nicht mehr. Jetzt ist das ganz anders.“

„Schwere Maschinen waren schon immer meine Leidenschaft.“

Bernd wird uns gleich von Kiel über Eckernförde bis zur Schleibrücke fahren. Die letzten Fahrgäste steigen zu. In drei Minuten schließen die Türen. Plötzlich hängt sich die Digitalanzeige auf. Bernd schnauft durch, blickt Ausbilder Malte hilfesuchend an. „Sekunde!“, beruhigt der. Zwei Handgriffe seinerseits, schon ist die Anzeige wieder online. „Zauberhände!“, staunt der Auszubildende anerkennend, „Teamleiterhände!“, erwidert Malte augenzwinkernd. In solchen Momenten ist es gut für Bernd, den Ausbilder noch an der Seite zu haben. So souverän, wie er sich ansonsten schon im Führerstand bewegt, käme man aber nicht darauf, dass er noch in Ausbildung ist. Acht von zehn Monaten hat er bereits absolviert, die Hälfte der 360 Fahrstunden sind abgeleistet. In sechs Wochen steht die finale Prüfung zum Triebfahrzeugführer an. Als Ausbilder sei man selbst ergriffen, wenn die eigenen Auszubildenden erfolgreich abschließen, gibt Malte Jansky zu. Gestern erst waren es drei, alles Quereinsteiger*innen wie Bernd, das seien die meisten Bewerber*innen heutzutage.

„Ich bin schon als Autofahrer immer vorsichtig. Deshalb bremse ich lieber früh.“

Nicht lange nach Verlassen des Hauptbahnhofs kündigt sich der erste Halt per Signal am Streckenrand für den Lokführer in spe an. „Ich bin schon als Autofahrer immer vorsichtig. Deshalb bremse ich lieber früh, wenn ich in den Bahnhof einfahre.“ Das richtige Bremsen ist die hohe Kunst des Lokfahrens. Bei 100 km/h sind es etwa 1.000 Meter Bremsweg. „Einfach nur Fuß vom Gas wie im Auto, das geht nicht. Man muss aktiv dosieren“, sagt Bernd. Konzentriert bringt er den Zug des Typs LINT zum Stehen. Die vielen akustischen und visuellen Signale im Cockpit und entlang der Strecke unterstützen ihn dabei, doch er muss sie auch korrekt interpretieren. Dass er das kann, hat er in der Theorieprüfung bewiesen. „Mir war nicht klar, wie anspruchsvoll die Ausbildung ist. Anfangs dachte ich: Führerschein hab ich ja, dann wird das auch mit dem Zug gehen“, meint er halb ernst, halb im Scherz. „Das Pauken hat sich voll gelohnt, nach der ersten Stunde auf den Gleisen wusste ich, wofür ich das gemacht habe. Ich hatte auch gleich Fahrgäste dabei, Teststrecken gibt es nämlich nicht.“ Acht von zehn Azubis in seiner Klasse haben die Prüfung erfolgreich absolviert, darunter nur eine Frau. Dass eine Technikaffinität mit seinem Beruf einhergeht, sei zwar richtig, doch Bernd stellt klar: „Wir machen hier nichts, was nicht auch Frauen können.“

„Das war schon auch ein Kindheitstraum.“

Unterdessen geht die Sonne auf, man erkennt den Reif auf den Feldern, eine Herde Rehe lässt sich durch den vorbeifahrenden Zug nicht stören. „Das war schon auch ein Kindheitstraum“, nimmt Bernd die Stimmung auf. „Ich habe immer gerne die Videos aus dem Führerstand gesehen. Und dann gleitest du selbst am Steuer eines tonnenschweren Gefährts über die Rendsburger Hochbrücke, während da unten der Nebel auf dem Wasser liegt. Das ist genial!“, strahlt Bernd. Es gebe nicht viel, an das er sich in seinem neuen Beruf noch gewöhnen müsse. Die Wechselschichten und die neuen Schlafenszeiten sind mittlerweile weniger herausfordernd. Etwas mehr Bewegung wäre gut, doch die hole er sich auf seinem neuen Jobrad, mit dem er häufig zum Skatepark fährt, um eine Runde mit dem Board auf der Rampe zu drehen. Wirklich bereuen tue er nur eines: dass er die Entscheidung, Triebfahrzeugführer zu werden, nicht schon früher getroffen hat. Selbst finanziell habe er sich noch in seiner Ausbildungszeit im Vergleich zum vorherigen Job verbessert. Bernd blickt zufrieden auf die Strecke – und seine berufliche Zukunft. Grinsend erzählt er: „Ich muss in letzter Zeit häufig an meine Schulzeit und im Speziellen an eine Lehrerin zurückdenken. Ihr Mantra uns Schülern gegenüber war: ‚Niemand wird euch später dafür bezahlen, aus dem Fenster zu schauen.‘“ Fast zu kitschig, um wahr zu sein, fliegt in diesem Moment ein Seeadler vorbei.

AKN ❤️ TikTok

Das Eisenbahnunternehmen geht neue Wege in der Personalgewinnung

Wie viele Verkehrsbetriebe sucht auch die AKN mit Hochdruck nach neuen Mitarbeiter*innen – und wirbt um sie mit Kreativität, Witz und ohne Scheu vor modernen Formaten. Seit September 2023 präsentiert sich das Eisenbahnunternehmen über das Videoportal TikTok mit informativen und humorvollen Videoclips, die selten länger als eine Minute sind. Wie das ankommt, verrät uns Maren Brandt, Leiterin für Marketing und Kommunikation sowie Pressesprecherin.

Frau Brandt, was passiert auf dem TikTok-Kanal der AKN?

Wir zeigen uns – so, wie wir sind. Als AKN sind wir fest in der Region verwurzelt, die Menschen hier sind mit der AKN aufgewachsen und erinnern sich zum Beispiel daran, dass sie mit uns zum ersten Date gefahren sind. Wir möchten uns auf TikTok authentisch zeigen, nahbar und freundlich, mit Humor und eben typisch norddeutsch. Bei uns sagt man Moin. Tradition lebt, wenn sie frisch erzählt wird. TikTok ist das Medium, das wir dafür nutzen. Konkret zeigen wir Videos aus dem Arbeitsalltag, erlauben Blicke in die Werkstatt oder bringen augenzwinkernde Einspieler mit unserem Kollegen Tim oder der Dackeldame Polly.

Wen erreichen Sie damit?

Vereinfacht gesagt: alle. Die Plattform funktioniert generationenübergreifend. Dabei herrscht ein lockerer und zugleich wertschätzender Umgangston auf unserem Kanal. Das erleichtert es, in den Clips offen auch unliebsame Themen wie den Schienenersatzverkehr aufzugreifen. Wir probieren auch immer wieder neue Formate aus oder nutzen Trends, die bei TikTok gerade gut laufen. Die positive Resonanz bestärkt uns darin. Manche unserer TikToks haben über 30.000 Likes und sogar 300.000 Views. Das ist viel und freut uns als AKN natürlich. Wirklich überrascht waren wir darüber, wie gut dort unsere Kampagne „Folge dem Lokruf!“ zur Gewinnung von Triebfahrzeugführer*innen gegriffen hat.

Konnten Sie dank der Kampagne neue Leute einstellen?

Und ob! Wir haben mit unserer Kampagne, unserem TikTok-Kanal und der dortigen Anzeigenschaltung neben fertig ausgebildeten Lokführer*innen gezielt Quereinsteiger*innen angesprochen und konnten 30 für die einjährige Ausbildung als Triebfahrzeugführer*in gewinnen – bei insgesamt etwa 400 Bewerbungen. Das hat uns nicht nur quantitativ umgehauen, es waren viele großartige Bewerbungen darunter. Auch der niedrigschwellige Bewerbungsprozess hat sich bewährt: Als erster Schritt reicht uns eine einfache Interessenbekundung über eine TikTok-Nachricht. Wir sagen dann Bescheid, was wir brauchen und wie es weitergeht.

Bild rechts: Maren Brandt, AKN

Mei Ling Ly,
DB Regio Nord

Christof Müller,
DB Regio Nord

Beste Aussichten

Mit dem Bus in die Zukunft

Nicht nur Lokführer*innen, auch Busfahrer*innen sind schwer gefragt. Die DB Regio ist die größte Anbieterin für die Personenbeförderung per Bus. Kein Wunder, dass auch hier alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um neue Kolleg*innen zu gewinnen. Mei Ling Ly, Personalmarketingreferentin, behält den Überblick über die zahlreichen Offline- und Online-Aktivitäten, mit denen die DB Regio Bus Nord verschiedene Zielgruppen auf den Beruf Busfahrer*in aufmerksam macht. Online passiert das beispielsweise über Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram, aber auch über Newsportale wie Tag24. Erst kürzlich hat die Eventreihe Jobmatch stattgefunden, um einerseits Schüler*innen, anderseits Quereinsteiger*innen anzusprechen.

Auf die digitale Ansprache allein verlässt sich DB Regio Bus jedoch nicht. Christian Schwamberger, Community Recruiter für die Region Nord, lädt Interessierte gerne dazu ein, mit dem Bus auf einem der Betriebshöfe eine Runde zu drehen – am Steuer! Das geht dort ausnahmsweise auch mit dem Führerschein der Klasse B, der Voraussetzung ist, um den Busführerschein der Klasse D zu absolvieren. Schüler*innen dürfen sich auch schon vor der Führerscheinprüfung bewerben.

Schulabgänger*innen absolvieren eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb. Die Betreuung während dieser Zeit ist intensiv. So wird gewährleistet, dass alle ihre Abschlussprüfung bestehen und anschließend von DB Regio Bus übernommen werden. Das gilt übrigens ebenso für Quereinsteiger*innen, wie Lead Recruiter Christof Müller betont. Die Grundvoraussetzungen seien für alle Bewerber*innen gleich: eine positive psychologische Einschätzung, ein gutes erweitertes Führungszeugnis – und nicht zu viel auf dem Kerbholz in der Flensburger Verkehrssünderakte. Sind diese Kriterien erfüllt, sollte man einen Blick in das Jobportal www.db.jobs werfen. Attraktiv für berufliche Umsteiger*innen ist die mögliche Übernahme der Kosten für den Führerschein Klasse D durch die Agentur für Arbeit. Quereinsteiger*innen können im Regelfall bereits nach sechs Monaten Ausbildung eigenverantwortlich als Busfahrer*in durchstarten.

Christian Schwamberger,
DB Regio Nord

Mehr zu Jobs im Nahverkehr gibt’s unternehmensübergreifend unter: www.einsteigen-jetzt.de