Explosiv, fantasievoll, stärkend – neue Sportarten im Land

Wer hätte gedacht, dass Fußball einmal als Kuriosität galt? Auch das Runde, das ins Eckige muss, begann mit einigen wenigen Kickern. Das Mutterland des modernen Fußballs ist und bleibt natürlich England, die Spuren des Spiels reichen aber bis zu den Mayas und anderen Hochkulturen Mittelamerikas zurück. Ob Schleswig-Holstein später einmal als Ursprung einer neuen Sportart gesehen wird? Auch bei uns im Norden gibt es sportliche Menschen mit einer Leidenschaft für eine (bislang) exotische Sportart. Zum Beispiel Pickleball: Hier stehen sich zwei Zweier-Teams auf einem verkleinerten Tennisfeld gegenüber und schlagen einen gelöcherten Kunststoffball mit pfannengroßen Schlägern über das Netz. Oder Headis, eine Sportart, hinter der das Prinzip Tischtennis steckt, wobei ein Fußball per Kopf über den Tisch gespielt wird. Für ein „Land zwischen den Meeren“ gar nicht mal so überraschend, werden hierzulande doch Rugby und Hockey auch unter Wasser gespielt. Alles nur Strohfeuer? Gut möglich, dass manch einen Trend das Schicksal des Hockerns ereilt, das sich zu Beginn der 2000er-Jahre von Kiel ausgehend wachsender Beliebtheit erfreute. Hierbei wurden Elemente aus Breakdance sowie Skateboarding kombiniert und auf einem Design-Hocker im Look einer Eieruhr ausgeführt. Heute hat es sich ausgehockert. Doch wer weiß: Vielleicht wird eine andere ungewöhnliche Sportart irgendwann zu einem globalen Massensport – so wie König Fußball. los! hat sich zu drei Trainingsbesuchen aufgemacht.

Jugger: Fischkoppkrieger mit Pool-Nudel

Beim Jugger muss nicht der Ball ins Tor, sondern der Jugg ins Mal!

„Achtung! Drei, zwei, eins, Jugger!!“ Das Startkommando erschüttert die Holzwände der altehrwürdigen Iltishalle in Kiel-Gaarden. Von ihren entgegengesetzten Enden aus sprinten nun die beiden fünfköpfigen Mixed Teams unerschrocken aufeinander zu. „Pompf!“ macht es, als die ersten beiden Spielerinnen aufeinandertreffen. „Pompf, Pompf, Pompf!“ – sekundenschnell folgen weitere. Es sind die zentralen Spielgeräte, die das markante Geräusch erzeugen und nach ihm benannt sind: die Pompfen. Mit ihrer Hilfe lassen sich die gegnerischen Spieler*innen bei korrektem Körpertreffer stoppen. Das ermöglicht der Läuferin oder dem Läufer des eigenen Teams, sich den Jugg zu schnappen, der für beide Mannschaften zugänglich in der Mitte des 40 mal 20 Meter großen Spielfelds liegt. Ziel ist es, den Jugg in das sogenannte Mal an der gegenüberliegenden Grundlinie zu befördern.

„Anfangs wurden wir als die Komischen beäugt, heute sind wir anerkannter Bestandteil des Vereins.“
Nico Seebeck, Spartenleiter Jugger beim TUS Gaarden

Spielgeräte Marke Eigenbau: Die Pompfen können in Aussehen und Größe variieren.

„Das Ursprungsmaterial der Pompfe ist die Pool-Nudel“, verrät die 21-jährige Johanna, die eben noch das Jugendtraining leitete und nun in der Erwachsenengruppe spielt. „Damit der längliche Schaumstoff nicht abknickt, wird er im Inneren mit einem Carbonstab verstärkt. Es gibt verschieden lange Pompfen. Schilde zur Verteidigung sind erlaubt, dafür aber hat man beispielsweise nur eine kurze Pompfe für den Angriff zur Verfügung.“ Die Spieler* innen haben ihre Vorlieben bei den Spielgeräten. Johannas aktuelles Interesse gilt der sogenannten Kette, einer Sonderform der Pompfe. „Das ist ein Schaumstoffball, der an einem Band befestigt ist und geschleudert wird. Die Kette ist zwar etwas schwieriger zu spielen, verursacht jedoch acht Steine“, zwinkert Johanna und klärt uns auf. „Steine nennen wir die rhythmischen Trommelschläge, die bei jedem Spiel über die Lautsprecher hörbar sind. Wird man von der herkömmlichen Pompfe getroffen, ist man nur fünf Schläge aus dem Spiel, bei der Kette sind es acht.“ Die getroffenen Spieler*innen gehen fair und diskussionslos mit einer Hand hinter dem Rücken auf die Knie – das Zeichen, dass man aus dem Spiel ist. Die Abläufe sind wahnsinnig schnell und dynamisch, ein*e einzelne*r Schiedsrichter*in hätte kaum die Möglichkeit, nachzuvollziehen, wer getroffen wurde und wer nicht. Deshalb braucht es vier Schieris bei Turnieren.

Im September kämpfen die besten Jugger-Teams in Bamberg um die Deutsche Meisterschaft 2025. Die Fischkoppkrieger aus Kiel haben gute Chancen, dabei zu sein. „Anfangs wurden wir als die Komischen im Verein beäugt. Vielleicht sogar verständlich, wenn man bedenkt, dass unser Sport seinen Ursprung im Film ‚Die Jugger – Kampf der Besten‘ aus dem Jahr 1989 hat“, erzählt Nico Seebeck, Ansprechpartner beim TUS Gaarden für die Sparte Jugger. „Heute allerdings sind wir auch dank unserer Jugendabteilungen Orcas und Wütende Tintenfische anerkannter Bestandteil des Vereins. Wir sorgen für Nachwuchs. Zudem erproben wir neue Wege, indem wir Regelerweiterungen nicht über Verbände diktieren, sondern über unsere Online-Community abstimmen. Darüber hinaus ist das Spiel von Natur aus integrativ. Trotz seines Tempos basiert es nicht auf körperlicher Überlegenheit, sondern auf strategischem Geschick – etwa der optimalen Positionierung. Unabhängig von Geschlecht, Alter oder körperlichen Einschränkungen: Jede*r kann mitspielen.“ Wer sich ein eigenes Bild von Jugger machen möchte, ist herzlich willkommen beim Turnier in der Baukampfbahn Kiel-Gaarden am 26. und 27. April.

Roundnet: Freundschaften rund ums Netz

„Im Vergleich zu klassischen Sportarten, bei denen sich die Teams auf zwei Seiten gegenüberstehen, ist Roundnet eine 360°-Sportart und dadurch wirklich innovativ“, schwärmt Haye Hoffmann, 24 Jahre alt, Spieler der Kieler Roundnet Sharks. Gespannt blicken wir auf die beiden gemixten Zweier-Teams, die sich um ein am Boden aufgespanntes Rundnetz mit etwa einem Meter Durchmesser positionieren. Der Aufschlag erfolgt. Ähnlich wie beim Tennis tickt der Ball auf, allerdings auf besagtem Netz statt auf dem Boden. Das retournierende Team darf den Ball nun in bis zu drei Berührungen unter Kontrolle bringen, bevor es ihn wieder über das Netz zurück zum Gegner schlägt, so lange, bis ein Team es nicht mehr schafft, zu retournieren. Beeindruckend ist das scharfe Tempo der Bewegungen. Die Explosivität auf dem kleinen Feld erinnert ein wenig an Volleyball. Der Spielzeug12 los! Vor Ort entwickler Jeff Knurek entwickelte 1989 die Grundidee des Spiels, das eine ausgeprägte Hand-Augen-Koordination erfordert. Zunächst war es beliebt, verschwand jedoch im Laufe der Zeit. „Niemand entwickelte die Regeln weiter, doch das ist bei einer jungen Sportart elementar“, weiß Haye. Ende der 2000er-Jahre bekam der Amerikaner Chris Ruder von Freunden ein altes Roundnet- Set geschenkt und war von dem verschollenen Spiel so begeistert, dass er das Regelwerk schließlich überarbeitete, um es einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Im Jahr 2019 erreichte es als Hochschulsport schließlich die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Das Interesse daran wuchs über die letzten Jahre stetig. Das ist toll. Doch wenn wir im Winter in die Halle ausweichen, sind die Kapazitäten bei 60 Leuten erschöpft. Deshalb bieten wir seit Ende 2024 Roundnet auch über den 1. Beachclub Kiel e. V. an“, erläutert Haye.

„Für mich macht die eingeschworene Community den Reiz an Roundnet aus.“
Haye Hoffmann, Spieler der Roundnet Sharks Kiel

In der Lübecker Bucht ist zunächst eher sortiert als geborgen worden. Zwar haben die Räumfirmen im September etliche Tonnen Munition in Kisten aus dem Wasser geholt, aber die Pilotbergung soll vor allem erst mal Antworten auf wichtige Fragen geben: Welche Munition liegt genau auf dem Boden? In wie vielen Schichten? Wie tief im Sediment muss man mit Munition rechnen? In welchem Zustand sind die unterschiedlichen Munitionstypen? Kann man sie vielleicht unter Wasser in einem speziellen Container sichern und vorläufig lagern? Noch müsste geborgene Munition auf dem Landweg zu einer Vernichtungsanlage transportiert werden, in Zukunft soll sie auf einer schwimmenden Plattform direkt auf See oder küstennah vernichtet werden können. Anvisiert sind effektivere, schnellere und sicherere Arbeits­schritte – je automatisierter die Bergung verläuft, desto besser. Taucher*innen sollen möglichst wenig zum Einsatz kommen.

Alle zwei Jahre findet sogar eine WM statt. Dort haben meist die USA die Nase vorn, in Europa ist das deutsche Team Spitzenreiter. „Natürlich hat man einen sportlichen Ehrgeiz, doch nicht weniger von Bedeutung ist das gemeinschaftliche Erlebnis. Nach den Spielen möchte man freundschaftlich auseinandergehen, nicht als Rivalen“, erklärt Haye. „Für mich macht vor allem die eingeschworene Community den Reiz an Roundnet aus. Du bist zu Turnieren unterwegs und wirst überall offen zum Couchsurfen empfangen. So entstehen viele Freundschaften über das ganze Land verteilt.“ Demnächst lädt Haye mit den Roundnet Sharks selbst zum Turnier. Das Roundnet Masters Kiel 2025 findet am 26. und 27. Juli auf dem Nordmarksportfeld in Kiel statt.

Hobby Horsing: Souverän im Parcours

„Haltung!“, ruft Trainerin Sabine Wulf ihren fortgeschrittenen Sportlerinnen zu, während diese ihre Aufwärmrunden im Trab absolvieren, „Ellbogen ran, Füße nach vorne!“ Dann dreht sie sich zu den sechs Neuankömmlingen beim heutigen Hobby-Horsing-Training des TSV RW Niebüll um: „Holt euch gern ein Leihpferd. Die Zügel nehmt ihr in beide Hände, den Stock in eine Hand. Das Stockende klemmt ihr zwischen die Beine.“ Die eng mit dem Reitsport verwandte Sportart erfreut sich vor allem bei jungen Mädchen großer Beliebtheit. Viele Begrifflichkeiten wie Galopp, Dressur oder Piaf stammen vom Pferdesport, doch Sabine betont: „Hobby Horsing ist ein eigenständiger Leistungssport, bei dem Leichtathletik, Gymnastik und Reitsport zusammenkommen!“ Dennoch muss sich nicht nur Selma von Altersgenoss*innen oft anhören, sie reite ja gar nicht auf einem echten Pferd – ob sie sich denn keines leisten könne? Sie kann darüber nur souverän mit den Schultern zucken. Es braucht Selbstbewusstsein für so eine Reaktion. Ein Selbstbewusstsein, das ihr vermutlich der Sport selbst gegeben hat. Die anderen Mädchen schauen nicht nur deshalb zu ihr auf. Grazil und kraftvoll zugleich überwindet sie die Hindernisse des Parcours. In den Dressuraufgaben ist sie fokussiert und bewahrt stets die richtige Haltung. Selma ist neben Merle die große Hoffnung des Vereins bei den Deutschen Meisterschaften 2026.

„Hobby Horsing ist ein Leistungssport, bei dem Leichtathletik, Gymnastik und Reitsport zusammenkommen!“
Sabine Wulf, Hobby-Horsing-Trainerin des TSV RW Niebüll

Die Mädchen, die heute zum ersten Mal dabei sind, überwinden im Parcours die Höhe von 30 Zentimetern der Klasse „Leicht“. Sie merken die körperliche Herausforderung schnell. Eines von ihnen kommt schnaufend an die Seitenlinie, es hat mit dem Gewicht des Hobby Horses zu kämpfen. „Wischmopp ist aber auch schwer“, zeigt Co-Trainerin Claudia Verständnis. „Nimm stattdessen Poseidon“, rät sie. „Poseidon heißt jetzt Timmi“, wirft eine der anwesenden Mütter von den Bänken aus ein. In den Hobby Horses steckt Leben, Liebe und Arbeit. Online-Videos bei YouTube geben Anleitung zum Selbstbau, sie haben teilweise mehr als 100.000 Views. Trainerin Sabine ist langjährige Reitsportlerin sowie gelernte Erzieherin. Das Training in Niebüll bietet sie auch über den Reitverein an. „In der Reithalle kann man sich einiges bei den Pferden abschauen, doch darf man nicht vergessen, dass der Absprung auf dem sandigen Boden sehr viel schwerer ist“, weiß sie und bittet Selma, Freda und Merle nun an die hohen Hürden. Die 60 Zentimeter der Klasse „Mittel“ sind für die drei keine Herausforderung, auch die 80 Zentimeter der nach oben offenen Klasse „Schwer“ nehmen sie nahezu mühelos. Bei 90 Zentimeter müssen Technik und Sprungkraft schon optimal ineinandergreifen. Eindrucksvoll schaffen sie auch diese Hürde. Sie sind bereit für das anstehende Turnier in Tarp. Gespannt darf man sein, wie hoch sie beim vereinseigenen Halloweenturnier im Oktober springen werden.

Alle zwei Jahre findet sogar eine WM statt. Dort haben meist die USA die Nase vorn, in Europa ist das deutsche Team Spitzenreiter. „Natürlich hat man einen sportlichen Ehrgeiz, doch nicht weniger von Bedeutung ist das gemeinschaftliche Erlebnis. Nach den Spielen möchte man freundschaftlich auseinandergehen, nicht als Rivalen“, erklärt Haye. „Für mich macht vor allem die eingeschworene Community den Reiz an Roundnet aus. Du bist zu Turnieren unterwegs und wirst überall offen zum Couchsurfen empfangen. So entstehen viele Freundschaften über das ganze Land verteilt.“ Demnächst lädt Haye mit den Roundnet Sharks selbst zum Turnier. Das Roundnet Masters Kiel 2025 findet am 26. und 27. Juli auf dem Nordmarksportfeld in Kiel statt.