Jörn Ross, 61 Jahre, aus Schleswig

Klönen und absacken

Solange ich denken kann, und das ist mittlerweile schon eine ganze Weile, steht die Bank vor unserem Haus. Auch auf Bildern von achtzehnhundertetwas ist die Bank zu sehen und ich vermute, als meine Familie 1702 das erste Mal urkundlich als Holmer Fischer erwähnt wurden, war sie auch schon da. Diese Bank ist mein Lieblingsort. Als Kinder haben wir hier bei den Brücken gespielt und Oma, Mama, Onkel und Tanten saßen auf der Bank und haben aufgepasst. Ins Wasser sind wir trotzdem gefallen. Und das nicht nur einmal. „Wenn du noch eenmaal natte Fööt kriegst, dann blievst du binn“, pflegte Muttern dann zu schimpfen. Natürlich sind wir wieder ins Wasser gefallen und natürlich mussten wir nie drinnen bleiben. Beim zweiten und dritten Mal waren dann eben Oma oder unsere Nenntanten Emma und Gertrud dran mit Füßetrocknen. Im Grunde hat sich daran bis heute nichts geändert. Nur dass es jetzt unsere Enkelkinder sind, die da spielen, während meine Frau und ich auf der Bank sitzen. Hier mit meiner Familie zu sitzen oder nach dem Feiern mit den Nachbarn noch einen Absacker zu trinken, während die Sonne aufgeht: Das ist so schön, dafür müsste man eigentlich Geld zahlen.

Auf der Bank haben übrigens auch schon einige prominente Hintern gesessen. Robert Habeck, Bundespräsident Karl Carstens und Gerhard Stoltenberg. Filmteams kommen auch gern zu Besuch: Die „Fünf Freunde“ wurden hier gedreht, ein „Borowski“-Tatort und „Unter anderen Umständen“. Die „Leiche“ aus der Krimiserie, die bei Nieselregen und mauen Temperaturen zwischen den Brücken im Wasser dümpeln musste, lag übrigens später zum Aufwärmen bei uns in der Badewanne.

Bis vor knapp 20 Jahren kamen die alten Fischerkollegen – 70, 80, 90 Jahre alt – noch rum und haben geklönt, jeden Tag. Darum heißt die Bank auch Klönbank. Um sechs hieß das dann Abmarsch nach Hause: Abendbrot. Das hat sich leider alles verflüchtigt und Fischer will auch kaum mehr jemand werden. Mittlerweile sind wir nur noch fünf aktive Fischer auf dem Holm und allmählich gehöre ich zu den Alten. Es ist schön zu wissen, dass die Bank auch in 100 Jahren noch hier stehen und ein verwandter Hintern darauf sitzen wird. Ob der dann noch einem Fischer gehört, wird die Zeit zeigen. Schön und richtig wär’s.

Der zweifache Vater Jörn Ross ist Ältermann der Holmer Fischerzunft und einer der letzten fünf Fischer auf dem historischen Holm in Schleswig. Seine Familie lebt hier seit über 300 Jahren von der Fischerei.