Kreativität, die Wellen schlägt

Kultur und Natur als Einheit zu verstehen, hat in der Lübecker Bucht eine lange Tradition. Seit zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Travemünde das erste Seebad an der westlichen Ostseeküste entstand, reisen scharenweise Gäste an, um neue Lebensgeister zu wecken. Niendorf, Timmendorfer Strand, Scharbeutz und wie sie alle ­heißen: Aus einstigen Fischerdörfchen entwickelte sich eine ganze Reihe an Seebädern, die bis heute nichts an Charme eingebüßt haben. Zwischen dem weißen Ostseestrand und dem grünen Hinterland ist eine Gastronomie-, Kultur- und Kunstlandschaft mit erstaunlicher Strahlkraft gewachsen. Aber was genau ist eigentlich Kunst? Wir haben uns in der Lübecker Bucht auf die Suche begeben und herausgefunden, dass es nicht eine, sondern viele Antworten auf diese Frage gibt. Die Kunst steckt im Großen und im Kleinen, setzt sich in Szene oder ruht im Verborgenen, spricht mal mich an, mal dich, mal uns beide. Und wir wissen nun auch, was eben keine Kunst ist: nämlich in dieser Ostseeküstenregion ganz besonderen Menschen zu begegnen und diesen sonnigen Tag einfach nur zu genießen – nach (Pinsel-)Strich und (Gold-)Faden!

Anfahrt mit NAH.SH:
Sowohl Neustadt in Holstein als auch Scharbeutz/Haffkrug sind von Flensburg, Kiel oder Hamburg aus über den Knotenpunkt Lübeck mit der RB 85 erreichbar. Zwischen den Städten der Lübecker Bucht ­verkehren Busse, so zum Beispiel die Linie 522 zwischen Neustadt in Holstein und Scharbeutz/Haffkrug. Alle aktuellen Verbindungen im Routenplaner unter: www.nah.sh

8.57 Uhr

Ankfunft mit Rückenwind

Das Wetter und unser Routenplaner meinen es heute gut mit uns. Wir rollen pünktlich am Bahnhof von Neustadt in Holstein ein und haben nur wenige Gehminuten bis zu ­unserem Frühstück vor uns. Es geht leicht bergauf Richtung Markt – übrigens der zweitgrößte Schleswig-­Holsteins. Unterwegs können wir schon einen Blick auf den historischen Hafen werfen, der unmittelbar Appetit auf unser heutiges Tagesprogramm macht.

Bahnhof und Markt

Bahnhofstraße 16,
Neustadt in Holstein

9.05 Uhr

Auftakt mit Milchschaum

ReEs duftet himmlisch, als wir die Tür zum Café brocks öffnen. Belegtes Brötchen oder Croissant? Wenn die Entscheidung schwerfällt, nimmt man am besten beides. Und der Hafer Cappuccino, den uns Meike Brock dazu serviert, ist „Latte Art“ aus dem Bilderbuch. Überhaupt nicht ­sattsehen ­können wir uns nebenbei bemerkt an der ­hyggeligen Einrichtung und den Dekoartikeln, Tassen und anderen hübschen Dingen, die man im brocks café in aller Ruhe shoppen kann.

brocks

Am Markt 6,
Neustadt in Holstein
Mo.–Fr. 9–17 Uhr, Sa. 9–13 Uhr
brocks.cafe

9.40 Uhr

Findling mit Durchblick

Frisch gestärkt überqueren wir den Marktplatz und laufen aufs Neustädter Binnenwasser zu. Direkt an der Waterkant entlang verläuft der Neustädter Kunst-Kilometer, der 2025 sein 20. Jubiläum feiert. Auf diesem Spaziergang begegnen uns alle paar Meter Skulpturen und Installationen bekannter norddeutscher Künstler*innen. Stein und Stahl zählen zu den vorherrschenden Materialien. Und neben dem Maritimen entdecken wir das sprichwörtliche Fenster zur Welt als eines der wiederkehrenden Elemente. Julie Glaspys „Durchbruch“ beispielsweise baut die Wasseroberfläche in den eiszeptlichen Granitfindling mit ein, sobald man ihn aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet.

Kunst-Kilometer

Am Binnenwasser,
Neustadt in Holstein
www.kultur-stormarn.de

10.35 Uhr

Möwen aus Marmor

Wir spazieren Richtung Süden und kommen vorbei an Klüver’s Brauhaus – bekannt für erstklassiges Craftbeer und seine Fischküche – und an dem schmucken Ausflugsschiff MS Sturmvogel 2. Wenige Meter weiter kann man mehrmals die Woche fangfrischen Fisch beim ­Fischeramt kaufen. Wir sind aber noch nicht hungrig und widmen uns weiter dem Kunst-Kilometer: Durch ­Pierre Schumanns Marmorskulptur „Segel und Möwen“ kann man hindurchgucken und die kleinen Segelboote im Hafen und das gegenüberliegende Ufer der fjordähnlichen Neustädter Bucht bewundern. Und was ist denn das da hinter dem Yachthafen ancora Marina für eine Installation? Ach so, das ist nur eine Achterbahn aus dem HANSA-PARK, der aber momentan Winterschlaf hält.

Kunst-Kilometer

Schiffbrücke, Neustadt in Holstein

10.50 Uhr

Herz aus Gold

Kurz vor dem Kremper Tor, dem letzten ­verbliebenen der drei Stadttore, befindet sich in der kleinen, aber belebten Einkaufspassage Charlie’s Gold- und Silber­schmiede. Die gebürtige Berlinerin Charlie ­Sophie Cremer hat seit ihrer Kindheit Urlaube in der ­Lübecker Bucht verbracht und ihr Herz an die Region verloren. So ist sie nach verschiedenen beruflichen Stationen in der Goldschmiedestadt Pforzheim, der Edelsteinstadt Idar-Oberstein und dem Zentrum für Fine Arts Stockholm an ihren Sehnsuchtsort zurückgekehrt, um hier zu leben und zu arbeiten. Neben handgefertigten Unikaten bietet die Künstlerin auch Goldschmiedekurse an.

Tipp:
Charlie’s Gold- und Silberschmiede gibt mehrstündige Kurse für zwei Personen zur ­Herstellung von Ehe- oder ­Freundschaftsringen.

Charlie’s Gold- und Silberschmiede

Kremper Straße 16,
Neustadt in Holstein

Aktuelle Öffnungszeiten und mehr unter:
www.charlies-goldschmiede.de

11.30Uhr

Strandidyll mit Kaffeesatz

Farben, Formate, Motive, Materialien – in Sonja Knoops Atelier fügt sich alles wie zu einem einzigen Kunstwerk zusammen. Die freie Künstlerin lässt uns bei einem kreativen Prozess über ihre Schulter schauen. Derzeit arbeitet sie an ihrem Beitrag für den Kunstpreis Lübecker Bucht, der 2024 unter dem Titel maritim mittendrin in eine zweite Runde geht. Sonja Knoop hat sich darauf spezialisiert, experimentelle Effekte aus dem Gegenspiel von Acrylfarbe und anderen Materialien – wie in diesem Fall Kaffeesatz – zu erzeugen.

Tipp:
Atelier Sonja Knoop bietet individuelle Workshops, Malkurse und das Atelier zur stunden­weisen Miete an.

Atelier Sonja Knoop

Burgstraße 15,
Neustadt in ­Holstein
Mo.–Fr. 8–12 Uhr,
Do. auch 14–17.30 Uhr
www.sonja-kunst.de

12.05 Uhr

Topf mit Ticket

Unsere nächste Station führt uns ein wenig landeinwärts. Dafür nehmen wir die Buslinie 500 bis Scharbeutz-Gleschendorf. Das Kunstquartier der Töpferei ­Gleschendorf ist in einer ehemaligen Bahnhofshalle zu Hause. Genau dort, wo die Passagier*innen damals ihre Fahrkarten erworben haben, werden heute Gefäße und andere Kunstgegenstände aus Ton gebrannt. Besucher*innen können beim Herstellungsprozess zuschauen und in Workshops sogar selbst töpfern.

Töpferei Gleschendorf

Bahnhofstraße 24,
Scharbeutz-­Gleschendorf
Mo., Di., Mi., Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–13 Uhr
toepfereigleschendorf

13.55 Uhr

Leinwand mit Meerblick

Von derselben Bushaltestelle aus ­fahren wir weiter bis Haffkrug. Den fantastischen Meerblick, der sich uns hier bietet, erzählt jedes ­einzelne Werk von Michael Weigel auf individuelle Weise weiter. Seit über 30 Jahren widmet sich der Künstler der Malerei von Himmel und Meer.
So vermitteln die Werke, die in seiner lichtdurchfluteten Galerie hängen, den Eindruck, als habe das Gebäude unzählige Fenster – mit Meerblick in jede Himmelsrichtung.

Buchtipp:
… was erzählt mir das Meer? Von Michael ­Weigel in Zusammenarbeit mit 24 Autoren ISBN 978-3-00-065336-0

Galerie Weigel

Strandallee 1b,
Scharbeutz/Haffkrug
April bis September,
täglich 12–16 Uhr Oktober bis März,
Sa & So. 12–16 Uhr
www.weigel-art.de

16.00 Uhr

Herzoglich schlemmen

Ein gutes Fischbrötchen ist auch eine Kunst, so viel steht fest! Wo, wenn nicht hier am Strand von Haffkrug, wollen wir uns nach einem beeindruckenden Tag mit dem norddeutschen Küchenklassiker von der Lübecker Bucht verabschieden. Alle paar Meter bietet sich eine köstliche Gelegenheit. Wir entscheiden uns für die Aalkate und bestellen eine Fisch­frikadelle im Brötchen und eine Portion Pommes frites mit einem ordentlichen Klecks Guacamole in Quietschgrün. Für uns ist es perfekt – genau so, wie es ist!

Aalkate Haffkrug

Strandallee 30, Scharbeutz/Haffkrug
Mi.–So. 12–17 Uhr
www.deinhaffleev.de/aalkate