Dursiye Ayyildiz, 36 Jahre, aus Trappenkamp
Ich bin am Ostufer Kiels aufgewachsen und wohne mittlerweile in Trappenkamp. Auf meinem Weg habe ich viele schöne Orte ins Herz geschlossen. Aber eine solche Bedeutung wie das Kieler Rathaus hat wohl keiner. Seit gut acht Jahren bin ich dort als Vorsitzende des Forums für Migrantinnen und Migranten der Landeshauptstadt Kiel aktiv. Unsere Sitzungen finden hier im wahrsten Sinne des Wortes Tür an Tür mit den politischen Entscheidungsträgern statt, denn die Ratsversammlung tagt genau neben dem Magistratssaal, in dem wir unsere Sitzungen abhalten. „Unseren“ ovalen Tisch mag ich sehr. Hier sitzen wir buchstäblich in einer Runde: ohne Anfang und Ende, ohne hinten und vorne – gleichberechtigt und auf Augenhöhe. Schönerweise gestaltet sich auch der Umgang mit den Politikerinnen und Politikern hier im Haus so. Wir reden ganz frei miteinander, sind im entspannten Dialog ohne hierarchischen, sozialen und kulturellen Dünkel, im Sitzungssaal genauso wie auf den Gängen. Ich habe hier menschlich einen wichtigen Reifeprozess durchgemacht. Noch stärker als während meiner Zeit als Projektmitarbeiterin der Türkischen Gemeinde Schleswig- Holstein am Vinetaplatz in Gaarden, wo ich auch viel erlebt und manche Vorurteile überwunden habe. Als ich im Rathaus anfing, war ich in meiner Sprache und auch im Umgang mit Menschen, die nicht meiner Meinung oder gar rechts eingestellt waren – vorsichtig ausgedrückt – nicht sehr diplomatisch. Mittlerweile bin ich ruhiger geworden, habe gelernt, Meinungsverschiedenheiten auszuhalten und dass es gerade bei Differenzen wichtig ist, im Gespräch zu bleiben. Wir hatten zum Beispiel mal einen Gast, der hat so heftig gegen alle migrantischen Anliegen gewettert, dass ihn viele im Forum gern rausgeschmissen hätten. Wir haben ihn gelassen. Das war eine Lehrstunde für alle, auch so einen Menschen aussprechen zu lassen. Am Ende haben wir uns sogar ziemlich gut verstanden, trotz aller Differenzen. Deshalb ist das Rathaus mein Lieblingsort: Es ist ein Ort der Begegnung, der Dialoge und der Chancen, besser miteinander klarzukommen. Und genau solche Orte braucht unsere Welt.
Die gebürtige Kielerin Dursiye Ayyildiz ist seit 2015 Vorsitzende des Forums für Migrantinnen und Migranten der Landeshauptstadt Kiel und war Mitarbeiterin der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein. Derzeit studiert sie Politik, Verwaltung und Soziologie an der Fernuni Hagen und lebt als „Vollzeitmama“ mit ihrem Mann und zwei Kindern in Trappenkamp.