Eine Tour zu Schleswig-Holsteins stillen Klimahelden

Trockengelegte Moore sind Klimakiller. Intakte Moore sind Klimaretter. So einfach ist das. Moorschutz steht daher ganz oben auf der politischen Agenda – besonders im Moorland Schleswig-Holstein. Rund neun Prozent der Landesfläche sind Moore, 90 Prozent davon sind allerdings entwässert. Und genau da liegt das Problem: Denn im Torf ist Kohlenstoff gespeichert. Bei einer Trockenlegung wird dieser zusammen mit Sauerstoff aus der Luft zu CO₂. In Schleswig-Holstein sind Moore für zwölf Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Umgekehrt entziehen torfbildende Pflanzen in intakten Mooren der Atmosphäre CO₂ und sind dadurch ein wichtiger Faktor im Klima- und Artenschutz. Deshalb soll Schleswig-Holstein zum Vorzeigemoorland werden. Einen ordentlichen Anschub gibt das 2020 aufgelegte Landesprogramm „Biologischer Klimaschutz“.
Das Ziel: Bis 2030 sollen weitere 20.000 Hektar Moorböden wiedervernässt werden. Im Ergebnis können so jährlich 700.000 Tonnen CO₂ eingespart werden. Das ist etwa so viel wie der Treibhausausstoß, den alle Bürger*innen Flensburgs verursachen! Wichtigste
Akteurin beim Moorschutz ist die Stiftung Naturschutz
Schleswig-Holstein, die zahlreiche Renaturierungsprojekte betreut. Unsere los!-Reporterin hat die Gummistiefel angezogen und sich einige genauer angesehen.

Janis Ahrens von der Stiftung Naturschutz mit einer ausgebaggerten Tondrainage

Erste Station: Kreis Segeberg. Noch ist nicht so viel Moor zu erkennen im Grotmoor. Die rund
73 Hektar große Fläche des Hochmoores sieht einfach nur aus wie eine von einem braunen Wall umrandete Wiese. Nach starken Regenfällen bilden sich darin kleinere Wasserflächen – Reserven für trockenere Zeiten. „Im Jahresmittel ist aber ein Wasserstand ungefähr auf Bodenhöhe unser Ziel“, erklärt Stiftung-Naturschutz-Sprecher Mathias Büttner. Im August 2022 waren die Arbeiter*innen mit Spezialbaggern da. Sie haben kilometerweise Drainagerohre aus dem Boden geholt, Entwässerungsgräben aufgefüllt und Holzspundwände gebaut. Wie bei jeder Wiedervernässung ging es darum, die früher aufwändig installierten Vorrichtungen zur Trockenlegung zu entfernen. Der rundherum aufgeschüttete Torfwall soll zudem das Wasser auf der Fläche halten und die anliegenden Grundstücke schützen. „Ich freue mich schon darauf, wenn die ersten Torfmoose die Wasserstellen erobern“, sagt Büttners Kollege Janis Ahrens, der das Projekt Grotmoor leitet. Zwei bis vier Jahre dauert es, bis die Torfmoose und andere Arten zurück sind. Pflege braucht ein intaktes Moor kaum. Die Stiftung Naturschutz reguliert den Wasserstand bei Bedarf über eingebaute Überläufe und dokumentiert die Entwicklung, aber sonst „muss das Moor einfach in Ruhe gelassen werden“, so Mathias Büttner. Wegen der Brut- und Setzzeit ruht auch die Baustelle aktuell. Im Spätsommer wird ein weiterer Teil der Fläche für seinen zukünftigen Einsatz als Klimamoor fit gemacht.

Leif Rättig, Berater für biologischen Klimaschutz, im Dosenmoor

Weiter geht es Richtung Neumünster. Neben dem Hartshoper Moor bei Rendsburg und dem Wilden Moor bei Schwabstedt ist das
Dosenmoor besonders gut geeignet, um diesen außergewöhnlichen Lebensraum kennenzulernen. Also: Hunde an die Leine, immer auf den Wegen bleiben, nichts mitnehmen – außer natürlich Müll – und los geht die Moor-Entdeckungstour! Seit 1978 engagiert sich die Stiftung Naturschutz im Dosenmoor. Inzwischen ist das Hochmoor eines der am besten erhaltenen im ganzen Land. Und es ist eines der Lieblingsmoore von Leif Rättig. Der Berater für biologischen Klimaschutz bei der Stiftung nimmt uns mit auf die über 500 Hektar große Fläche am Rand des Einfelder Sees. Auf den ersten Metern Weg bewundern wir noch Birkenwälder und Pfeifengras, das auf kleinen Hubbeln, sogenannten Bulten, wächst. Doch was wir für „typisch Moor“ halten, sind Überbleibsel eines einst trockengelegten Moores, erläutert der Experte. „Ist das Moor wieder richtig nass, übernimmt das Torfmoos.“ Ein paar Meter weiter stehen wir am Rand einer solchen Torfmoosfläche: ein weiter, bräunlich grüner Hügel. „Torfmoose haben keine Wurzeln. Sie wachsen in mehreren Schichten übereinander und bilden dann diese Aufwölbung.“ Typisch Hochmoor! Um das Ganze aus der Nähe zu sehen, biegen wir auf den Naturlehrpfad ab, einen Holzbohlenweg mitten durch eine wiedervernässte Fläche. Nass – das ist das Stichwort. Hier sind die Moose ganz in ihrem Element. Überall sind sie zu sehen. Rund 36 verschiedene Torfmoosarten gibt es in Schleswig-Holstein. Die grünen sind die ersten. Später kommen die rötlich braunen dazu – Anzeichen dafür, dass sich die Moore gut erholt haben. Infotafeln geben weitere Einblicke in Flora und Fauna: Die Hochmoor-Mosaikjungfer, eine Libelle mit einer Flügelspannweite von bis über zehn Zentimetern, und der Moorfrosch – da färben sich die männlichen Exemplare zur Paarungszeit blau – zählen sicher zu den interessantesten Bewohnern der Moor-WGs. Dazu kommen Kranich, Sumpfohreule, Kreuzotter und andere Lebewesen, die sich bestens an die besondere Umgebung angepasst haben. Unter den Pflanzen ist das Wollgras einer der bekanntesten Moorliebhaber. Im Frühsommer wehen seine baumwollartigen weißen Puschel hier fast überall im Wind. Beschwingt gehen wir weiter – das fühlt sich auf dem Torfboden an wie ein Spaziergang auf einem Trampolin. Die Ruhe, die Landschaft, der federnde Schritt … Wir sind uns schnell einig: Ein paar Stunden im Moor sind wie ein Kurzurlaub. Dazu noch etwas Live-Musik gefällig? Zur Paarungszeit der Frösche lädt die Stiftung Naturschutz zu Froschkonzerten in Mooren ein.

Froschkonzerte, geführte Moortouren und andere Veranstaltungen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein unter:
www.stiftungsland.de/veranstaltungen

Mehr Infos zur Klimafarm: www.klimafarm.stiftungsland.de

Zum Abschluss geht es nach Erfde, einer kleinen Gemeinde zwischen Friedrichstadt und Rendsburg. Unser Ziel ist das Ellerortsmoor. Bis zum Beginn der Brut- und Setzzeit war auch hier noch ein Bagger im Einsatz. Stück für Stück wird das Ellerortsmoor nun wieder zu einem intakten Niedermoor. Wie die meisten Flächen in der Eider-Treene-Sorge-Niederung ist auch dieses Moor jahrzehntelang entwässert worden. Nun geht es für Klima- und Artenschutz wieder in Richtung „nass“. Aber das ist nur der erste Schritt, denn dieses Moor ist Teil der Klimafarm. „Wir wollen hier die Zukunft der Landwirtschaft mitgestalten, indem wir eine Einkommensalternative für Landwirte aufbauen“, erklärt Projektleiterin Elena Zydek. Die Klimafarm ist ein landwirtschaftlicher Modellbetrieb für die sogenannte Paludikultur, wie die Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore im Fachjargon genannt wird. Auf rund 400 Hektar will das sechsköpfige Klimafarmteam alternative Wertschöpfung erproben: Welche Erntemaschinen können eingesetzt werden? Wie können Binsen, Seggen und Schilf wachsen, geerntet und getrocknet werden? Welche Produkte können daraus hergestellt werden? Wie können Klima- und Wirtschaftsbilanz in Einklang gebracht werden? Die Klimafarm ist eines von deutschlandweit vier vom Bundesumweltministerium geförderten Paludi-Projekten. Und es ist das einzige Projekt, bei dem nichts eingesät wird. „Wir arbeiten nur mit dem, was von allein wächst“, so Elena Zydek. In den kommenden Jahren soll die Klimafarm zu einer Tüftelwerkstatt für Paludikultur werden. Als Partnerin hat sie sich unter anderem die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel „mit ins Moor geholt“. Auch erste Gespräche mit Herstellern von möglichen Produkten aus der Ernte laufen bereits. Eine Idee: Dämmmaterial. Vor allem aber sollen die Landwirt*innen der Region einbezogen werden. Im Herbst gibt es hier den ersten Feldtag. Eine gute Gelegenheit für das Moor, zu zeigen, welche Perspektiven es bietet!

Moorschutz im Alltag?

So gehtʼs! Torffreie Produkte kaufen. Noch immer ist Torf Bestandteil zahlreicher Gartenprodukte. 100 Prozent torffreie Produkte zu kaufen, ist daher aktiver Moorschutz. Palmölfreie Produkte kaufen. Um Ölpalmen anzubauen, werden unter anderem in Indonesien zahlreiche Moorflächen zerstört. Wer palmölfreie Produkte kauft, trägt daher zum weltweiten Moorschutz bei. Für Moorprojekte spenden. Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein engagiert sich seit über 40 Jahren für gesunde Moore. Mit einer Spende kann jede*r den Ankauf von Moorflächen und deren Renaturierung unterstützen: www.stiftungsland.de/moorspende MoorFutures® kaufen. Auch mit dem Kauf von MoorFutures® werden Renaturierungsmaßnahmen in Schleswig-Holstein finanziert. MoorFutures® werden von der Ausgleichsagentur Schleswig-Holstein GmbH vergeben, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Stiftung Naturschutz. Wer Moor-Futures® erwirbt, bekommt ein Zertifikat über den Beitrag zur CO₂-Einsparung. www.moorfutures-schleswig-holstein.de