Fünf legendäre Bäume in Schleswig-Holstein

In Deutschland stehen etwa 90 Milliarden Bäume. Mächtig, schmächtig, buschig, knorrig, windschief oder zum Klettern einladend, jeder unterscheidet sich von seinem Nachbarn. Und jeder erfüllt mehrere Funktionen auf einmal. Denn Bäume produzieren Sauerstoff und binden Kohlendioxid, filtern Staub und Gifte, schaffen Lebensraum für Vögel, Säuger und Insekten. Unsere Wälder, die übrigens ein Drittel des gesamten Bundesgebietes bedecken, bilden als Holzlieferant außerdem einen wichtigen Wirtschaftsfaktor.

Einige von ihnen stehen seit Jahrhunderten, haben Kriegen, Wetterextremen und mehr als einer Pandemie getrotzt, sind Zeitzeugen von Ereignissen, die wir nur aus dem Geschichtsbuch kennen – und selbst das ist einmal ein Baum gewesen.
Und was nach zähen Monaten des Social Distancing für uns von besonderem Wert ist: Man darf sie sogar umarmen! Sogenannte „Waldbäder“ stimulieren das Immunsystem und lindern nachweislich Beschwerden. Denn Bäume setzen Moleküle frei, die wir über die Atemwege aufnehmen. Diese Moleküle wiederum senken das Stresshormon Cortisol. Dass Bäume „stumm“ seien, lässt sich an dieser Stelle übrigens richtigstellen. Denn wer im Frühling sein Ohr – oder gar ein Stethoskop – an einen Baumstamm mit nicht allzu dicker Rinde legt, wird ein leises Gurgeln und Rauschen hören. Der Grund: Nach der Winterzeit ziehen Bäume Wasser aus dem Boden bis in die Spitzen.

90 Milliarden Umarmungen warten auf uns! Fünf besonders bemerkenswerte Exemplare möchten wir hier vorstellen.

Beste Adresse

Bräutigamseiche in Eutin

Romeo und Julia mit Happy End: Einst liebten sich die Dodauer Försterstochter und der Sohn eines Leipziger Schokoladenfabrikanten. Da ihre Eltern gegen die Verbindung waren, schrieben sie einander Liebesbriefe, die sie im Astloch einer alten Eiche versteckten. Im Jahr 1891 hatten die Eltern ein Einsehen und es wurde im Schatten eben jener Eiche geheiratet. Auch wenn es für Shakespeares Geschmack an Dramatik fehlen mag – diese Baumgeschichte hat es dennoch zu Weltruhm gebracht: Vom mongolischen Radio bis zum japanischen Fernsehen wird darüber berichtet, dass im Dodauer Forst eine 500 Jahre alte Eiche mit eigener Postadresse steht. 1927 wurde eine Leiter aufgestellt, weil immer mehr Liebende das Astloch mit Briefen und Kontaktanzeigen fütterten. Und das tun sie bis heute! Das Postgeheimnis ist hier aufgehoben, damit (Noch-)Singles auf dem Briefweg überhaupt zusammenfinden können. Der Postbote kommt übrigens gegen 12 Uhr mittags. Wenn das nichts nützt, sei den einsamen weiblichen Herzen verraten, dass man bei Vollmond dreimal schweigend um die Eiche gehen möge. Wenn man dabei an den Geliebten denkt, könne schon bald das Aufgebot bestellt werden. Glückt auch dies nicht, kann man ja immer noch – wie eingangs empfohlen – den Baum umarmen.

Post- und Besucheradresse:
Bräutigamseiche
Dodauer Forst
23701 Eutin

Rot-grüne Rarität

Blutbuche in Uetersen

Sieben Naturdenkmäler stehen auf dem Klostergelände von Uetersen. Dazu gehört die Mutation einer Rotbuche, deren purpurnes Blattwerk schon von Weitem ins Auge sticht. Ihre prägnante Rotfärbung verdankt sie einem roten, wasserlöslichen Pflanzenfarbstoff (Anthocyan), der das grüne Chlorophyll überlagert. Im Laufe des Vegetationszyklus verblasst die rote Farbe und das Grün setzt sich durch, wenn auch nur vorübergehend. Das Wunderwerk der Natur in Uetersen strotzt nur so vor Gesundheit. Die Blutbuche ragt 20 Meter in die Höhe, hat einen Stammumfang von fast fünf Metern und mag bei der Frage nach ihrem Alter zusätzlich erröten. Denn normalerweise werden Buchen bis zu 150 Jahre alt. Diese Marke soll die altehrwürdige Dame längst überschritten haben. Manche Experten sagen, sie gehe schon auf die 200 zu, andere schätzen sie sogar auf 250 Lenze.

Klosterpark
25436 Uetersen

Neues Leben

 

Gerichtslinde in Bordesholm
An einem warmen Tag im Mai 2018 scheuchte ein Krachen die Vögel aus den Baum­wipfeln der Klosterinsel. Nach über 400 Jahren war einer der beiden Hauptstämme der einst so prächtigen Linde abgebrochen. Der Brandkrustenpilz und lange Trockenphasen hatten von dem Bordesholmer Wahr- und Wappenzeichen nur einen traurigen Torso übriggelassen. Doch es keimt neues Leben im Naturdenkmal. Wie ein grüner Busch sehen die jungen Triebe aus. Es wird noch ein paar Jahr(zehnt)e dauern, bis die Linde ihre Stattlichkeit zurückerobert hat, aber die Bordesholmer haben Geduld. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde unter diesem Baum „Gericht gehalten“, daher der Name. Heute nimmt unter der Linde alljährlich der „Ding­richter“ der Bordesholmer Schützen die Gemeindepolitik aufs Korn, begleitet vom Männergesangsverein.

Lindenplatz/Klosterinsel
24582 Bordesholm

Ferne Wurzeln

Mammutbaum in KielMammutbäume sind die höchsten Bäume der Welt. Mehr als 100 Meter können sie erreichen – also doppelt so hoch wie die Holtenauer Hochbrücke, vier Brandenburger Tore übereinander oder eine Distanz, für die Usain Bolt 9,58 Sekunden benötigt hat. Namenspaten sind die Vorfahren unserer Elefanten, die sich übrigens vor 100.000 Jahren schon an ihnen geschubbert haben. Ihr langes Leben verdanken sie ihrer Rinde, durch die eine saure Flüssigkeit entweicht. Das schützt sowohl gegen Feuer als auch gegen Pilze und andere unflätige Untermieter. Eigentlich sind Mammutbäume in der Sierra Nevada und an der Südwestküste der USA zu Hause. Doch einige Exemplare finden sich an der Ostsee. Im Alten Botanischen Garten in Kiel zum Beispiel. 100 Meter Höhe sind hier noch nicht erreicht, aber bei einer Lebenserwartung von rund 4.000 Jahren besteht ja auch keine Eile.

Alter Botanischer Garten
Schwanenweg 14
24105 Kiel

Alter Bekannter

Eulenspiegellinde in Mölln
Dem einen oder anderen unserer Leser wird diese sagenumwobene Linde bekannt vorkommen, haben wir sie doch in unserer vorigen Ausgabe in der Geschichte „Ein Tag in Mölln“ bereits vorgestellt. Der naseweise Narr Till Eulenspiegel soll unter diesem Baum stehend begraben worden sein. Seither folgt Generation auf Generation dem Brauch, sich genau hier sein Glück zu sichern. Man stecke eine Münze in die Rinde und umrunde den Stamm dreimal gegen den Uhrzeigersinn, auf dass einem niemals das Geld ausgehen möge. Notizen des Dichters Johann Fischart von 1572 bezeugen eine „massenhafte Wallfahrt“ zur Linde. 1877 dagegen berichtete der Möllner Pastor, holländische Soldaten hätten den Baum gefällt und zu Brennholz verarbeitet. Frechheit. An derselben Stelle wurde umgehend eine neue Linde gepflanzt, die bis heute Besucher aus allen Himmelsrichtungen anlockt.

Am Markt
23879 Mölln